In Holzgewittern. Teil 3 der Handwerker-Saga Von Wiglaf Droste

„Hebt den Dachbalken hoch, Zimmerleute“, heißt die Geschichte von Jerome D. Salinger. So schön Salinger auch schreibt – die Überschrift erfüllt den Tatbestand der Aufforderung zu einer besonders schweren Straftat, zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Denn auch Zimmerleute sind Handwerker – und die heben einen Dachbalken nur zu einem Zweck: ihn aus möglichst großer Höhe möglichst bollernd fallenzulassen bzw. ihn mit Schmackes aufs Pflaster zu pfeffern – damit der, der neben dem Pflaster wohnt, also ich, innerlich zerbirst in Holzgewittern, deren Schrecken er aber nicht, wie Ernst Jünger es mit denen aus Stahl tat, retrospektiv verschwiemeln und verheldentümeln wird. Sondern entschlossen ist, sie als so abstoßend zu beschreiben, wie sie sind – zum Nutzen der Nachkommen, die es einmal leiser haben sollen. Boshaft bewegen die Handwerker ihr Kantholz in eine Position, in der sie es mit einer Handkreissäge, die sie stets so „zufällig“ bei sich tragen wie Wolf Biermann seine Gitarre, bequem in Würfel zerschneiden können, bis der Balken alle ist und ein neuer herangewuchtet werden muß – dies selbstverständlich unter erneutem Getöse: Lärm ist keine Begleiterscheinung des Handwerkens, sondern Sinn der Sache. Und zwar die einzige.

Kundig prüfend wird der neue Balken von hornigen Handwerkerhänden getätschelt und geplorkt; zuweilen dringt ein zustimmendes Grunzen aus der Brust des Handwerkers, oder aber, wenn der Balken nicht taugt, ein unwilliger Laut des Mißbehagens. Ist alles ordnungsgemäß befingert worden, wird auch der frische Balken endlich zu Würfeln zersägt. Später kleben die Handwerker die Würfel dann mit Pritt oder Tesafilm wieder zusammen und bauen daraus Häuser. Es gibt aber auch Leute, die schwören, sie hätten die Handwerker mit ihren selbstgemachten Würfeln würfeln sehen – fröhlich wie debile Kinder säßen sie, die gewaltigen Hintern auf große Holzstapel gedrückt, im Kreis und würfelten ums feierabendliche Herrengedeck. Wenn's nicht so arglos klänge und so freundlich, ich würde es nicht glauben.

Aber die Welt ist nicht so wie in Peter Weirs Film „Der einzige Zeuge“, in dem friedliebende Leute ruhig und gediegen ein Haus bauten und stillvergnügt den Dachfirst auflegten. Das sah gut aus, und Harrison Ford machte eine glänzende Figur, wie er da so geräuscharm hämmerte, bohrte und sägte – aber das war im Film.

In echt ist ganz anders. Nämlich so: Es ist noch nicht sieben, und es ist schon Krieg. Sie sind da. Sie sind infernalisch. Einer von ihnen hat eine Flex. Die Flex ist die Stalinorgel des Handwerkers. Mit der Flex flext er Fliesen, dicke Steinfliesen: Nnnjaaouuu... Er flext mitten durch mich hindurch: Nnnjaaouuu... Ich kann nicht mehr. Ich hole einen großen Eimer Wasser, 20 Liter. Ich öffne das Fenster, hebe den Eimer auf die Fensterbank und sage zu dem Mann mit der Flex: „Entweder, Sie werden aufhören, mich zu durchtrennen, oder Sie werden sehr naß sein.“ Der Mann mit der Flex sieht mich dumm an. Offensichtlich sehe ich so aus, daß er mir lieber glaubt. Er legt die Flex nieder – „Throw down the sword, the fight is done and over“ von Wishbone Ash ertönt, wie von ferne, in meinem Kopf. Ich habe eine Schlacht gewonnen. Aber nicht den Krieg.