Beinahe Volksfeststimmung

■ Spiel mit Traditionen und Genres: drei junge israelische Choreographen beim Sommertheater

Es versprach ein schneller Abend zu werden. Drei junge israelische Choreographen zeigten jeweils ein halbstündiges Stück – dazu mein Vordermann zur Nachbarin: „Die sind aus Israel, oder? Und das Thema ist 50 Jahre Israel. Aha.“ Drei Choreographien (keine zum Thema 50 Jahre Israel), die jeweils schnell und dicht begannen und von denen keine ganz halten konnte, was der Anfang versprach.

Yossi Yungman hat sich von Issey Miyake ein Schürzenkleid designen lassen. Das ist zwar nicht wirklich hübsch, aber gut, da es alle Assoziationen von Wasser bis Elefantenhaut zuläßt und Yungmans Stärke das Tempo ist, in dem er auch tänzerisch diese radikalen Assoziationswechsel schafft. Was gerade noch an Eis erinnert, wird eine Mönchskutte in der Kirche. Sequenzen wie diese sind dann auch die interessanteren seines Solos. Er benutzt rituelle Gesten des Kirchenbesuchs, bringt sie in einen Fluß und fängt so im Bewegungskontinuum die Substanz des Zitierten genau und mit Ironie ein.

Die zweite Choreographin, Inbal Pinto, tanzt ebenfalls selbst. Von ihr und ihrer Partnerin Michal Sharon sieht man jedoch erst nur vier Füße. Schnell bewegen sie sich auf der kleinen Fläche vor einer Bank, vielleicht ein Fuß-Abzählreim. Auf dieser Bank bleiben die beiden während ihres gesamten Duos Vita und zappeln da so, wie man sich immer Hanni und Nanni vorgestellt hat. Das ist oft eckig und meistens witzig. Ab und zu scheinen sie das sie antreibende Uhrwerk anzuhalten, und so entwickeln sich aus schnellen Parallelbewegungen doch Kommunikation, eine Kurz-Pediküre und ein Kaffeegespräch. Fast immer geben die beiden sich dabei mit Zungenschnalzen metronomgleich ihr hohes Tempo vor – der Puls für Miniaturszenen zwischen guten Freundinnen.

Auch Barak Marshall spielt gerne. Mit Genres und Traditionen. Bei aller Kraft verliert seine Arbeit nie ihren Spielcharakter. Oft scheint es, als hätte Marshall für seine Tänzer einen neuen Gesellschaftstanz erfunden. Das junge Ensemble begegnet sich in den kurzen Sequenzen in wechselnden Konstellationen, um, wie auch die Musik (Klezmatics und rumänische Lieder), mit Folklorezitaten zu spielen. Blasmusikartige Passagen korrespondieren mit Bewegungen voll Jahrmarktsspaß und verwandeln sich beinahe in Volksfeststimmung. Mal bewegen sich alle mit mechanischen Fließbandbewegungen über die Bühne, mal träumt ein Quartett mit Kerzenleuchtern auf dem Kopf. Barak irrt mit seinem Ensemble durch ein neues Spiel mit sich beständig auflösenden Regeln, bis am Schluß nur noch eine verlorene Tänzerin alleine auf der Suche ist. Matthias von Hartz