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„Wir kucken jetzt in aller Ruhe nach vorne weg!“

■ Borussia Dortmund gewinnt das erste Saison-Heimspiel mit 3:0 gegen Hertha BSC

Dortmund (taz) – Ein ausverkauftes Westfalenstadion meldeten Stadionsprecher und Fernsehen nach dem Spiel Borussia Dortmund gegen Hertha BSC Berlin am Samstag euphorisch – so ganz stimmte das aber nicht. Auf der Nordtribüne des umgebauten und vergrößerten Stadions zum Beispiel sah man reichlich freie Plätze – was vielleicht auch daran lag, daß genau dorthin die Anhänger des Berliner Clubs verklappt worden waren, und wer wollte in deren Nähe schon stehen? Die Berliner, charmant von Natur oder aus der Flasche, setzten sich im Stadion mit Rauchbomben immerhin schön selber unter Qualm und versuchten, die Welt mit Hauen dazu zu zwingen, auch weiterhin auf ihre Stadt zu schauen. Sie ernteten allerdings nur den dezenten Hinweis auf „den durchgehenden Zug nach Berlin um 18 Uhr 45 vom Hauptbahnhof“. Deutlicher kann man kaum werden.

Aber noch war man in Dortmund, beim ersten Heimspiel der Saison. Die neuen Trikots der Dortmunder Spieler leuchteten dottergelb, und die Dortmunder Fußball-Experten und -Strategen erwarteten den Anpfiff mit der ihnen eigenen Skepsis und Zurückhaltung. Denn wenn auch viel unangenehmes Fußballdrumherum der Münchner Sorte nach Dortmund geschwappt ist in den letzten Jahren – das stiernackige Numero- uno-Gekoffere überläßt man hier doch noch den Bayern, denen es ja auch gehört.

Dortmund spielte ohne Freund, der – wohl auch als Mahnung für andere potentielle Angestelltenfußballer und Großsprecher – von Trainer Skibbe auf die Tribüne geschickt worden war. Egal, ob's daran lag: Die Dortmunder spielten sofort nach vorne und machten Druck, die Berliner hielten zunächst gut dagegen, Spielmacher Wosz aber wurde von Nerlinger sicher bewacht, und mit Ausnahme des stets gefährlichen Preetz verschwanden sie bald in ihrer Hälfte, wo sie ziemlich sicher in zwei Reihen standen. So blieb Dortmund zwar überlegen, aber recht wirkungslos. Häßler machte teilweise einen etwas schwergängigen Eindruck, und Möller ging es auf dem Platz wie so oft in der Welt: Er wußte nicht, wo er hingehörte, und kam ins Ölen. Mal försterte er in der Verteidigung herum, dann wieder eilte er stracks zum gegnerischen Tor, aber die Gnade der Klarheit war ihm nicht beschieden.

Doch zum Glück hat Dortmund gut eingekauft: Dede, Salou und Barbarez, aber auch der Ex-Kölner Baumann und in der zweiten Hälfte Nijhuis erwiesen sich allesamt als Gewinn. Der athletische, schnelle und auch seine Mitspieler oft schön in Szene setzende Salou allerdings hatte das Pech, vom teilweise bizarr pfeifenden Schiedsrichter Stark mit spezieller Aufmerksamkeit bedacht zu werden. So häufig und so offensichtlich absichtsvoll verging sich der Schiedsrichter per Fehlentscheidung an Salou, daß der sonst grundruhige und ja auch schon ältere Herr Eckenga mehrfach aus dem Sitz hoch- und zu deutlichen Worten hingerissen wurde. Es war aber auch eine Pest.

Dortmund spielte sich viele Chancen heraus und hätte zur Halbzeit 2:0 führen müssen; das 1:0 durch Barbarez aber verdankte die Mannschaft einer Schußabfälschung. Nach der Pause spielte fast nur noch Dortmund, Dede hatte trotz relativer Zurückhaltung einige vielversprechende Szenen, Barbarez verwandelte eine Flanke von Kohler mit Hilfe der Berliner Abwehr zum 2:0, Berlins Torwart Kiraly schenkt Salou das 3:0 und wurde für seine Daddeligkeit vom ganzen Stadion ausgelacht, was ein bißchen gemein war, denn bis dahin hatte er gut gehalten, und über die Abschläge des Dortmunder Keepers Klos könnte man auch ziemlich ins Gackern kommen.

Nach 70 Minuten war alles im Lack und keiner hatte mehr Lust, so daß die Berliner fast noch ein Tor erzielt hätten. Die Stimmung war verhalten, aber munter, die letzte Saison und die Niederlage gegen „Sturgit“, wie die Stuttgarter zu Stuttgart sagen, waren vergessen, und dank der guten neuen Spieler kam man zu dem Schluß: Wir werden in aller Ruhe nach vorne wegsehen.

Dann ertönte eine neue, ganz abscheulich Modern-Talking- taugliche Hymne aus den Stadionlautsprechern, damit man auch nicht vergaß, in welcher Welt man lebt: Der Fußball stirbt, auch in Dortmund. Aber immerhin stehen die Chancen nicht schlecht, daß er diese Saison auf ansehnliche Weise stirbt. Wiglaf Droste

Hertha BSC: Kiraly – Rekdal – van Burik, Sverrisson – Thom, Schmidt, Tretschok, Mandreko – Roy (54. Dardai), Wosz – Preetz

Zuschauer: 67.500; Tore: 1:0 Barbarez (39.), 2:0 Barbarez (52.), 3:0 Salou (63.)

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