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Komisches Wasserwerk bedroht U.K.

In Jeremiah Chechiks Versuch, erneut „Mit Schirm, Charme und Melone“ zu reüssieren, taumeln eine storchenbeinige und kindgesichtige Uma Thurman und ein völlig farbloser Ralph Fiennes durch leere London-Kulissen  ■ Von Jenni Zylka

Das soll Emma Peel sein? „The immaculate Emma“, die Charlies Engel samt Bossy sogar mit verbundenen Augen k.o. setzen würde, mit ihrem graziösen Karatestil? „Mrs.“ Peel, deren prickelnder Charme so humorvoll-unterkühlt wie wohltemperierter Champagner daherkommt? Die Amazone, wegen der ich zwei entschlossene Jahre lang Fecht- und Karatekurse belegt habe, bis ich (nicht nur) wegen schlechter Auftragslage aufgab (keine mörderischen Nannys in Sicht)? Die Catsuit-Biene, mit der Steed nie durfte?

Fürs Protokoll: Leider haben die britischen Kollegen recht, die nach dem weltweiten Start des amerikanischen Remakes der 60er-Jahre-Serie „The Avengers“ vor zwei Wochen übereinstimmend enttäuscht abwinkten. Vielleicht hätten sie auch eine gelungene Verfilmung verrissen, einfach aus Prinzip: Kann und darf sich denn eine US-Produktion von 1998 überhaupt mit britischem Popart-Design, einer der ersten modernen Action-Ikonen und der Säule des englischen Traditionalismus, dem Gentleman, messen?

In Jeremiah Chechiks Versuch taumeln eine storchenbeinige, kindgesichtige Uma Thurman mit zuviel Lidschatten und zuwenig Sex-Appeal (Emma Peel ist das Wortspiel M-Appeal, Man-Appeal) und ein farbloser Ralph Fiennes durch aus unerklärlichen Gründen leere London-Kulissen. Wer mit wem wie und warum, ist weder ersichtlich noch wichtig: Der Spannungsbogen ist so flach wie das Gesicht von Uma, die letztes Jahr in Joel Schumachers „Batman & Robin“ noch eine Poison Ivy mit Mae West in der Kehle und Raquel Welsh im Blut mimen konnte. Vielleicht weil die Fledermaus eben uramerikanisch ist? Chechik hat dagegen alles getan, um seinen Film britisch aussehen zu lassen: historische Londoner Villen und Sehenswürdigkeiten, bekannte englische Nebendarsteller, Doppeldeckerbusse und Telefonzellen und eine süße, kleine, schmale englische Straße am Anfang des Films. Sogar der Tower und Sean Connery wurden aufgefahren, und wann immer der grummelige Schotte als grundböser verrückter Erpresser auftaucht, hat der Film plötzlich so etwas wie ein Gesicht. Und ach ja, das Thema des Films ist natürlich britisch: Connery als Sir August De Wynter bedroht die englische Regierung mit seiner großen Maschine, die aussieht wie die Fabrik im Madonna-Video „Express Yourself“, nur mit mehr Wasser und Dampf und aufgehängten Kugeln drin. Dieses komische Wasserwerk kann das Wetter verändern, und eigentlich ist gar nicht klar, warum die Briten ausgerechnet dagegen etwas haben sollten: Sind sie nicht die Meister im Reden übers Wetter?

Man muß die Maschine also zerstören. Der Auftrag wird Steed durch den Chefagenten „Mutter“ mitgeteilt. Und damit beginnt das Elend. Der Ur-John Steed Patrick Macnee hat nämlich laut „Hier!“ geschrien, als der liebe Gott die Nonchalance verteilte. Ralph Fiennes dagegen hat wohl sofort betreten zur Seite geguckt oder war mal wieder mit der Korrektur seiner ungewöhnlichen Namensaussprache beschäftigt: Er tötet angeblich jeden, der „Ralph“ nicht wie „Rave“ ausspricht. Im Film wirkt die „perfekte Gentleman- Fassade für seinen potentiell tödlichen Kern“ so gefährlich wie Lilo Pulver als Piroschka. Wie das kommt? Vielleicht sehen Uma und Ralph die offensichtlichen dramaturgischen Schwächen des unsinnigen Drehbuchs und schämen sich dafür? Vielleicht verwechseln sie das vielzitierte britische Understatement mit schlecht geübtem Underaction? Vielleicht nervt sie die Musik, die immer dann verzweifelt anschwillt, wenn es eigentlich spannend sein sollte? Vielleicht hat Uma ihre Tage und Ralph irgendwie auch?

Dabei gibt es Lichtblicke in diesem trotz seiner Explosionsfrequenz von zirka fünf Stück pro 30 Minuten merkwürdig unbeteiligt dahinplätschernden Film: Zum Beispiel das Lied „Raindrops are falling on my head“, das in der „Wonderland Weather“-Firma, die Wetter verkauft, im Hintergrund dudelt. Oder die niedlichen, bunten Bären in Menschengröße, in denen De Wynters Verbündete stecken, und seine Angestellten, die wie kajalverschmierte, gealterte Beatpunks beziehungsweise Droogs aussehen. Das M.C.- Escher-Haus der paradoxen Treppen und Räume, in dem sich Emma eine Weile verirren darf, ist auch so eine schöne Idee. Leider wird sie weder erklärt noch gebührend betrachtet oder inszeniert. Sie verpufft wie die pointenlosen Pointen am Ende fast jedes Dialogs.

Die Originalserie spielte mit „Tag und Teaser“. Jede Folge begann mit dem Teaser, in dem Steed Mrs. Peel (Diana Rigg) auf einfallsreiche und witzige Art von ihrem Auftrag in Kenntnis setzte: Mrs. Peel guckt durch ein Mikroskop, stellt scharf und „Mrs. Peel – we're needed!“ kommt zum Vorschein. Der Tag am Ende dieser Folge: Emma und Steed stehen wieder am Mikroskop. Sie bittet ihn hineinzugucken. Er entziffert: „I'm hungry!“, und sie gehen essen. Chechik hat die Tradition leider nicht fortgeführt. Sein Teaser ist so lustig, wie der Filmkuß zwischen Mr. Dauergrinsen und Mrs. Modellpuppe erotisch ist. Das Gegenteil von smart, das ist dieser Film.

„Mit Schirm, Charme und Melone“. Regie: Jeremiah Chechik. Mit Ralph Fiennes, Uma Thurman u.a. USA 1998, 85 Min.

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