■ Die Anderen: "Corriere della Sera" kommentiert den Wahlkampf in Deutschland / "The Guardian" schreibt zum Angriff der USA auf den Sudan / "Der Bund" und "Le Monde" schreiben über den Dialog mit den Taliban und Teheran
Der Mailänder „Corriere della Sera“ kommentiert den derzeitigen Wahlkampf in Deutschland: Die Stimmung, die Seelenlage der Deutschen gleicht einen Monat vor der Wahl etwa der eines Mannes, der nicht mehr verliebt ist, sich sogar langweilt und seine langjährige Braut daher verlassen möchte, aber nicht sicher ist, ob sein derzeitiger Schwarm denn die richtige Person für eine echte Beziehung ist. Deutschland scheint entschlossen zu sein, Kohl den Laufpaß zu geben. Aber es tut sich schwer. Und es ist nicht davon angetan, sich in die Hände einer Sozialdemokratie zu begeben, die sich mehr aus Kalkül denn aus Liebe der „neuen Mitte“ und dem „dritten Weg“ des Gerhard Schröder zuwendet.
„The Guardian“ aus London schreibt zum Angriff der USA auf eine Chemiefabrik im Sudan: Wenn der Sudan eine ordentliche Untersuchung verlangt, um festzustellen, ob die pharmazeutische Fabrik auch Bestandteile für chemische Waffen herstellte, sollte dem zugestimmt werden. Dies bedeutet nicht, daß die sudanesische Regierung unschuldig ist. Sie hat international einige zweifelhafte Spielchen getrieben. Sie könnte sogar für die Iraker an Nervengas gearbeitet haben. Wenn sich bei einer Untersuchung herausstellen sollte, daß die Sudaner betrogen haben, wäre das eine Aussage für sich. Aber was geschähe, wenn die Amerikaner sich getäuscht hätten? Es ist sicher internationaler Mühen wert, dies herauszufinden.
„Der Bund“ aus Bern sieht einen günstigen Zeitpunkt für den Dialog mit den Taliban: Die Taliban bilden alles andere als ein gefestigtes Regime. Ebensowenig sind sie ein einheitlicher Block; verschiedene Strömungen und Ansichten prallen – gegen außen noch wenig sichtbar – aufeinander. Jetzt ist für den Westen, gerade auch für die USA, ein guter Zeitpunkt, den Dialog mit den Taliban aufzunehmen. Nur so kann ihre weitere Radikalisierung verhindert und die Attraktivität Afghanistans als Ausbildungs- und Rückzugsort für Extremisten und Terroristen vermindert werden. Denn ob es uns gefällt oder nicht – heute haben die Taliban in Afghanistan die wirkliche Macht.
„Le Monde“ aus Paris sieht dagegen den richtigen Zeitpunkt für den Dialog mit Teheran: Mit der Einladung von Präsident Mohammed Chatami nach Frankreich hat sich Paris entschlossen, dem qualitativen Wandel seiner Beziehungen zum Iran Ausdruck zu geben. Es ist noch gar nicht so lange her, da hatten sich Frankreich und mit ihm die gesamten westlichen Staaten sowie zahlreiche islamische Länder entschlossen, die Islamische Republik auf Distanz zu halten. Der Iran hat sich geändert oder ändert sich vielmehr unter dem Eindruck seines politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Scheiterns sowie dem Drängen einer ebenso jungen wie Abgrenzung und Isolierung ablehnend gegenüberstehenden Bevölkerung.
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