■ Vorschlag
: Mit therapeutischem Oberton: „Crazy Quilts“ von Rubato im Theater am Halleschen Ufer

Das Lachen soll einem vergehen, man ahnt es ja. Man weiß es längst, bevor auch nur ein Lachmuskel ins Zittern geraten könnte. Ein ungarischer Tanz von Brahms scheppert aus den Boxen und Dieter Baumann zuckt mit den Muskeln wie ein aufgezogenes Spielzeug. Sein Körper lügt eine Fröhlichkeit vor, von der man sich keinen Moment lang täuschen lassen kann, und er lügt sie nackt, als ob der Körper keine wahre Identität mehr unter den Maskierungen besäße.

So beginnt „Crazy Quilts“, das neue Stück von Rubato. Später genügt es, daß einer am Hosenbund nestelt und es ist klar: Jetzt kommt wieder die Minute des Exhibitionismus, das Entblößen der im Körper verwurzelten Pein und Peinlichkeiten. Wie beim Blättern in einem Magazin für Therapeuten kriegt man dabei die Stimme des pädagogischen Mahners nicht aus dem Ohr: „So kannst du doch nicht mit deinem Körper umgehen.“

An der Grenze des Komischen zur schmerzhaften Deformation arbeitet die Gruppe Rubato, deren Kern Dieter Baumann und Jutta Hell bilden, seit ihrer Gründung 1985. Aber wo früher ein Kippen der Stimmung und eine Transformation der Energien gelang, will heute die Beklemmung nicht mehr weichen. Der Spieltrieb wirkt aufgesetzt, die Mischung der Temperamente bemüht.

„Crazy Quilts“ ist als Patchwork unterschiedlicher Befindlichkeiten angelegt. An fünf Tischen parodieren zwei Frauen und drei Männer Alltagsleben: den Drang zur Betriebsamkeit, das Festhalten an Rollenmustern. Da kommt ihnen die von Rubato entwickelte Gestensprache zugute, die vertraute Abläufe auf kurze Zeichenketten eindampft. Nur kennt man diese routinierten Bilder vom alltäglichen Wahnsinn inzwischen aus vielen Tanzstücken.

Wie beim Eiskunstlaufen, wo die Schwierigkeitsgrade zählen, wirkt teilweise die Choreographie von Jutta Hell. Das Ziel der Übung: die unterschiedlichen Bewegungstemperamente der Tänzer eben nicht zu synchronisieren, sondern in komplizierten Mustern zu verschränken. Doch es fehlt den Figuren an jener Plastizität, die einen in anderen Stücken Rubatos die gebeutelten Kreaturen mit Sympathie verfolgen ließ. Katrin Bettina Müller

„Crazy Quilts“, bis 30. August und vom 1. – 6. September, jeweils 21 Uhr, Theater am Halleschen Ufer, Kreuzberg