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■ VorschlagDamdam und Schubidu: Ein Abend der Leidenschaft im Ex 'n' Pop

Hallo und ein kräftiges Hossa! Eine Dame in orange-braunem, floral bemustertem Seventies-Kleid und blonder Perücke betritt die kleine Bühne und stellt sich vor den glitzernden Vorhang. „Weine nicht, wenn der Regen fällt“, sagt sie ernst. „Damdam, damdam.“ Sie hält einen kurzen, unterhaltsamen Monolog zur Bedeutung des deutschen Schlagers, zu den „Scheißinhalten“ in dramatischer Verkleidung, den deutschen und deutschtümelnden Tugenden, die sich in „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht“ wie in keinem anderen Dichterwort wiederfinden, zu den versteckten religiösen Aspekten. Dann treten zwei Männer in glänzenden Anzügen und spitzkragigen Hemden und eine grünbekleidete Dame mit schillernden Ohrringen neben sie.

Hossa! Es geht los: Ein Abend der Leidenschaft. Die Idee ist berückend: Bekannte Schlager, deren Texte und Melodien jeder in irgendeiner kleinen, mit grellem Seventies-Muster tapezierten, versteckten Kammer seines Herzens aufbewahrt, werden wie dramatische Lyrik und Prosa deklariert. Das Bedeutungslose der Texte, das „Du mußt mit den Wimpern klimpern“, das „Nanenane“ und „Leileilei“ werden perfekt aufgedeckt und von den leider nur wenigen Gästen gutgelaunt aufgenommen. Die Groschenromanmoral der „verbrecherischen Volksverdummung“ Schlager wird bei diesem „gelesenen Abgesang auf den deutschen Schlager“ sarkastisch und saukomisch demontiert. Das Quartett aus Zürich braucht nichts zu tun, als sich genau an die Texte zu halten: Ob einer der Schauspieler leutselig und augenzwinkernd „Komm in meinen Wigwam, Wigwam“ rezitiert oder ob die beiden Frauen „Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst“ wie eine Juliane-Coverversion von Tic Tac Two rappen. Es gelingt, und man fragt sich, warum noch niemand vorher auf den Gedanken gekommen ist.

Das Züricher Quartett bedient sich keiner Hilfsmittel außer seiner geschulten Stimmen, dem Klimbim-Outfit und einer wie ein dramatisches Utensil vor sich hergetragenen Textmappe. Sie deklarieren mal allein, mal gemeinsam, abwechselnd oder im Duo, mal singen und tanzen sie, und mal schunkeln sie zu einem Freddy-Heuler. Die Inszenierung ist einfach und effektvoll. „Das Schiff der großen Illusionen“ kollidiert dabei langsam und genüßlich mit „Mamor, Stein und Eisen“, und der Schlager geht unter. „Dann geh doch! Ich sage dir: geh doch!“ Huch! Richtig gruselig, was man so alles an submentalem Schubidu gespeichert hat... Jenni Zylka

Ein Abend der Leidenschaft, theaterfalle zürich, bis 30. August, 21 Uhr, Ex 'n' Pop, Mansteinstr. 14

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