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Einer allein gegen die EWE

■ Tschernobyl und seine fünf Kinder haben aus dem Oldenburger Fernsehtechniker Werner Altnickel einen beharrlichen Verfechter der regenerativen Energien gemacht

Oldenburg. Der Schalk sitzt ihm im Nacken. Wenn Werner Altnickel von seinen Kämpfen mit dem Oldenburgischen Energieversorger EWE erzählt, liegt ein verschmitztes Lachen in seinem Blick. „Das macht auch so ein bißchen Spaß, hat ja was Spielerisches“, sagt er. Dabei ist es dem 48jährigen bitterernst. Er will dem Stromlieferanten beweisen, daß regenerative Energien 70 Prozent des Strombedarfs in der Bevölkerung decken können. Das lebt er in seinem Haus vor, hält Vorträge, besucht Kongresse.

Angefangen hatte es 1986, mit dem Super-GAU von Tschernobyl. Bis dahin hatte Altnickel ein Fernsehgeschäft im beschaulichen Stadtteil Kreyenbrück betrieben. Es war sein Kindheitstraum gewesen, selbständiger Fernsehtechniker zu werden. „Ich bin so ein Selfmade-Typ“, beschreibt er sich und fährt dabei mit der Hand durch die halblangen Haare im Öko-Look. Im Mai 1986 aber war seine Frau mit dem vierten Kind schwanger und die Angst vor der radioaktiven Verseuchung politisierte das Paar. Sie schlossen sich der Gruppe „Mütter und Väter gegen Atomkraft“ an, der Vater belebte die Greenpeace-Gruppe in Oldenburg neu. In den folgenden Jahren setzte sich Werner Altnickel mit der technischen Seite der regenerativen Energien auseinander. „Ich habe schließlich fünf Kinder“, erklärt er und guckt plötzlich recht böse. „Wenn das so weiter geht, klauen wir den Kindern die Zukunft. Das ist ein Fakt. Und da lege ich mich auch mit jedem an.“

1988 packt der Fernsehtechnikmeister praktisch an. Gegenüber dem eigenen Einfamilienhaus liegt das Haus der Eltern, daneben ist das TV-Geschäft. Nach und nach vernetzt er die drei Haushalte. Zunächst bringt er auf dem Elternhaus eine Photovoltaik-Anlage mit 2000 Watt an. „Das war die erste damals im EWE-Gebiet“, betont er. Er schafft nämlich gerne Präzedenzfälle. 1991 kommen Warmwasserkollektoren und eine Photovoltaik-Anlage mit 6000 Watt auf dem eigenen Dach hinzu. Von April bis Oktober benötigen die drei Häuser kein Erdgas für Warmwasser und zum Heizen, der Strom reicht zusätzlich für zwei Elektroautos. 1992 verpachtet er das Fernsehgeschäft, plant, berät und installiert seitdem Solaranlagen.

Als er 1996 im Keller des Elternhauses einen mit Rapsöl betriebenen Dieselmotor als Blockheizkraftwerk aufstellt und damit auch die Strom- und Wärmeversorgung im Winter sichergestellt ist, genehmigt ihm die EWE, ein Privatkabel zwischen die Häuser zu legen, um sich selbst zu beliefern. „Dabei hatten die damals noch das Strom-Monopol“, erläutert er und wieder stiehlt sich der Schalk in sein Gesicht. Für den Energieversorger war das damals eine elegante Lösung, um Altnickel ruhig zu halten. Er läßt aber nicht locker.

Gerade klingelt das Telefon, ein EWE-Sachbearbeiter braucht Erläuterungen zum neuesten Antrag. Altnickel will das Umwelthaus in der Peterstraße im Stadtzentrum mit Strom beliefern. Wie teuer die Durchleitung durch das EWE-Netz sei? In Fischerhemd, Jeans, Wollsocken und Birkenstocksandalen steht er im Hausflur, erläutert am Telefon freundlich und geduldig die Sachlage. Anschließend ist er nicht mehr ganz so gnädig: „Dieser Sachbearbeiter hat mir erzählt, daß das für ihn Neuland ist. Dabei müßte die EWE seit dem Ende des Strommonopols im April ein Preisblatt für die Streckennutzung haben.“ Und schon ist er wieder dabei, einen Präzedenzfall zu schaffen. Der spielerische Ernst, mit dem er für die regenerativen Energien kämpft, läßt es ihn auch ertragen, daß etwa sein erwachsener Sohn sich überhaupt nicht für das Thema interessiert. „Ich habe nie versucht, die Kinder zu indoktrinieren. Druck erzeugt nur Gegendruck“, meint er altersweise. „Aber sie haben schon gelernt, daß Strom nicht einfach sauber aus derSteckdose kommt.“

Daniela Martin

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