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■ Bayerns Innenminister Beckstein legt Kriminalitätsstatistik vorHorrorszenario und Realität

Was macht ein Innenminister, der noch vor fünf Monaten anläßlich des Wegfalls der Grenzkontrollen zu Österreich Deutschland und seinen geliebten Freistaat im Würgegriff der italienischen Mafia sowie internationaler Tresor-, Schleuser- und Rauschgiftbanden wähnte und jetzt verkünden muß, daß die Kriminalität in Bayern im bundesweiten Trend liegt, nämlich rückläufig ist? Richtig. Er lobt sich und die Polizei und malt bereits an den nächsten Horrorszenarien, die da heißen „jugendliche Intensivtäter“, „Anfixen von Kindern“ oder „Ausländerkriminalität“.

Obwohl Kriminologen jahrein, jahraus auf die – vornehm ausgedrückt – geringe Aussagekraft der offiziellen Kriminalitätsstatistiken verweisen, werden diese Zahlen immer als Grundlage herangezogen, um weitere Gesetzesverschärfungen zu fordern und zu realisieren. Damit macht man populistisch Stimmung und beweist Handlungsfähigkeit – auch wenn es gar keinen Handlungsbedarf gibt.

So steht die Furcht, Opfer einer Gewalttat zu werden, in der Angstskala der Bundesbürger mit an oberster Stelle. Laut bayerischer Halbjahresstatistik sind Gewaltdelikte nicht nur rückläufig, ihr Anteil an allen Straftaten beträgt gar nur 2,6 Prozent. Über 40 Prozent aller Straftaten sind Diebstähle, und auch die sinken. Die Jugendkriminalität setzt sich vor allem aus Bagatelldelikten wie Ladendiebstählen, Schwarzfahren oder dem Besitz von Ecstasy-Pillen zusammen. Und die vielzitierte Organisierte Kriminalität, die den Lauschangriff und die verdachtsunabhängige Schleierfahndung im ganzen Land legitimierte? Dieses „schleichende Gift der Demokratie“, dieser „Feind Nummer 1 der Inneren Sicherheit“ kommt in Becksteins Zahlenkabinett nicht einmal mehr vor.

Über Ursachen geben diese Zahlen schon gar keine Auskunft. Das sollen sie auch nicht. Raubdelikte sind typische Armutsdelikte, wer will das schon offiziell hören? Ist die Wirtschaftskriminalität in Bayern nicht nur deshalb gesunken, weil man bei den Finanzbeamten den Rotstift angesetzt hat, und ist die Computer- und Rauschgiftkriminalität nicht nur deshalb angestiegen, weil man als einziges Bundesland Cybercops hat und sich bei der Bekämpfung der Drogen auf Kleindealer spezialisiert hat? Warum werden nach wie vor ausländische Tatverdächtige und nicht verurteilte Straftäter gezählt?

Um Marktführer im Bereich Innere Sicherheit zu werden und zu bleiben, muß man die Beliebigkeit der Statistik beibehalten, notfalls die Zahlen zurechtbiegen oder – wenn alles nicht hilft – die Gefahr zukünftiger furchterregender Entwicklungen beschwören. Beckstein kann das. Bernd Siegler

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