: Schlaganfall, Glutamat und freie Radikale
Ein Schlaganfall basiert in etwa 80 Prozent der Fälle auf einer starken Durchblutungsstörung einer Hirnregion, einer sogenannten Ischämie, bei ausgeprägter Arterienverkalkung oder durch einen Arterienverschluß bei einer Embolie. Als kritisch gilt die Unterschreitung der Flußrate des Blutes von zehn Milliliter pro hundert Gramm Hirngewebe in der Minute. Es kommt zum Hirninfarkt.
Kein anderes Organ reagiert so empfindlich wie das Gehirn. Ischämie bedeutet für die betroffenen Nervenzellen eine mangelhafte Versorgung mit den lebenswichtigen Substraten Sauerstoff und Glukose. Dieser Mangel löst eine Kaskade toxischer Reaktionen aus, die auf die benachbarten Hirnregionen übergreifen können, auch wenn diese zunächst gar nicht betroffen waren.
Zu diesen Reaktionen zählt die Freisetzung großer Mengen des Nervenerregerstoffes Glutamat. Glutamat stimuliert eine Reihe von spezifischen Bindungsstellen im Gehirn. Unter normalen physiologischen Verhältnissen wird freigesetztes Glutamat schnell wieder von Gehirnzellen aufgenommen. Eine massive Freisetzung führt jedoch zur Überforderung der Wiederaufnahmesysteme und einer übermäßigen Rezeptorstimulation, die ihrerseits einen massiven Einstrom von Kalzium in die Zellen und eine Störung kalziumabhängiger vitaler Prozesse bewirkt. Dies führt zur Aktivierung verschiedener eiweiß- und fettabbauender Enzyme, die Zellstrukturen angreifen, sowie zur Bildung freier Radikale, chemischer Verbindungen, deren Giftigkeit auf ihrer Reaktionsfreudigkeit mit Zellstrukturen beruht.
Die Glutamat-Toxizität ist nicht die einzige Ursache für ischämiebedingte Hirnschäden. Ohne Sauerstoff und Glukose stirbt jede Zelle nach einer gewissen Zeit. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, daß die Hemmung schädlicher Glutamat-Einflüsse auf unterschiedlichen Ebenen der Reaktionskette die Auswirkungen einer Mangelversorgung reduziert und in Schlaganfallmodellen die Infarktgröße verkleinert. Seit etwa zehn Jahren wird versucht, diese Kenntnisse für die Entwicklung neuartiger Medikamente zu nutzen. Franjo Grotenhermen
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