: Azubis bekommen weniger Geld
■ Benachteiligten Jugendlichen, die ihre Lehre bei außerbetrieblichen Trägern absolvieren, wird die Vergütung kurzfristig um 200 Mark pro Monat gekürzt. Grüne kritisieren "Vertrauensbruch"
Auszubildende, die ihre Lehre in einer sozialpädagogisch begleiteten Ausbildungsstätte absolvieren, bekommen ab sofort weniger Geld. Eine entsprechende Kürzung hat Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) kurz vor Beginn des neuen Lehrjahres am 1. September verfügt. Demnach sollen benachteiligte Jugendliche im ersten Lehrjahr in den Westbezirken statt monatlich 710 Mark nur noch 510 Mark bekommen, im Ostteil der Stadt sogar nur 470 Mark. Begründet wird dieser Einschnitt von der Jugendverwaltung mit Hinweis auf den „Ausstattungsvorsprung des Landes Berlin“. Im Klartext: Während die Lehrlinge in Berlin bislang in Anlehnung an den Metalltarif der Industrie- und Handelskammer bezahlt wurden, werden die Vergütungen nun den in anderen Bundesländern bereits üblichen niedrigeren Margen für außerbetriebliche Ausbildung angeglichen.
Die Träger der außerbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen haben gegen die Kürzungen inzwischen „erhebliche pädagogische und sozialpolitische Bedenken“ angemeldet. Dabei wird vom Paritätischen Wohlfahrtsverband oder dem Trägerverband A 3 nicht nur moniert, daß der Spareffekt aufgrund etwaiger Ansprüche außerhalb des Elternhauses lebender Jugendlicher auf Sozialhilfe „ineffektiv“ sei. Auch der Zeitpunkt der Mitteilung hat die freien Träger überrascht. Die Kürzungen waren ihnen aus dem Hause Stahmer per Rundschreiben erst am 18. August mitgeteilt worden. „Zu diesem Zeitpunkt“, sagt etwa Lisa Tiemann vom Ausbildungsträger Stattbauhof, haben wir aber bereits 10 von 24 Ausbildungsverträgen mit Jugendlichen zu den alten Tarifen abgeschlossen. Wenn die Jugendämter nur die gekürzten Mittel bezahlen, bekomme Stattbauhof entweder finanzielle Probleme oder müsse die Jugendlichen bitten, vom zugesagten Lehrgeld Abstriche zu machen.
Stahmers Sprecherin Rita Hermanns räumte gestern ein, daß die Mitteilung sehr kurzfristig gewesen sei. Dies habe aber daran gelegen, daß man so lange wie möglich nach Alternativen gesucht habe. Die bündnisgrüne Arbeitsmarktpolitikerin Sybill Klotz kritisierte, daß die Lehre für die betroffenen Jugendlichen mit einem Vertrauensbruch beginne. Besonders hart träfen die Kürzungen minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge, weil diese keinen Anspruch auf Sozialhilfe hätten. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen