Demokraten suchen statt Clinton das Weite

■ Ein Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten wird immer wahrscheinlicher. Jetzt setzen sich auch alte Parteifreunde ab. Sie befürchten, daß die Nähe zu Clinton ihre Chancen auf Wiederwahl

Washington (rtz/taz) – Vorbei ist die herzliche Atmosphäre des gerade zu Ende gegangenen Irlandbesuchs. Wieder zu Hause, gerät US-Präsident Bill Clinton jetzt auch in den eigenen Reihen wegen der Lewinsky-Affäre zunehmend unter Druck. Der Countdown für die Vorlage des Berichtes von Sonderermittler Kenneth Starr läuft – und nun rücken auch immer mehr enttäuschte Parteifreunde von ihrem Präsidenten ab.

Der Abgeordnete des Repräsentantenhauses, Jim Moran, erklärte am Sonntag, Clintons Glaubwürdigkeit sei stark angeschlagen. Der Präsident werde es schwerhaben, sie zurückzugewinnen. Moran sprach von der „schwersten Krise Clintons“ und er sehe „wirklich keinen Weg aus ihr“. Senator Patrick Moynihan ging sogar noch weiter. Er sagte, Clinton habe die USA mit seiner Affäre in eine Regierungskrise gestürzt.

Moran geht davon aus, daß Sonderermittler Kenneth Starr ein Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton beantragen wird. Aus Starrs Umgebung ist zu hören, die Anklagepunkte könnten Meineid, Behinderung der Justiz, Anstiftung zur Falschaussage und Machtmißbrauch heißen. Seinen Bericht legt Starr in den nächsten drei Wochen dem Rechtsausschuß des Repräsentantenhauses vor. Empfiehlt der Ausschuß ein Amtsenthebungsverfahren, muß darüber das Plenum des Repräsentantenhauses entscheiden. Das eigentliche Verfahren findet anschließend im Senat statt.

Auch Moynihan schließt ein Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton nicht aus. Er forderte Starr auf, seinen Bericht möglichst bis Mitte des Monats vorzulegen. Bei zügiger Behandlung könne die Angelegenheit in sechs Wochen abgeschlossen werden. Ob sich im Senat die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Absetzung Clintons finde, sei ungewiß, aber möglich. Moynihan hatte am Donnerstag mit einem anderen Senator, Joseph Lieberman, die Absetzbewegungen der Demokraten von Clinton ausgelöst. Wie Lieberman kritisierte er im Plenum das Verhalten des Präsidenten.

Clinton sah sich daraufhin genötigt, seinem Geständnis und seinem öffentlichen Bedauern eine Entschuldigung hinterherzuschieben. Nach monatelangem Leugnen hatte er erst Mitte August vor Starr eingestanden, mit der früheren Pratikantin im Präsidialamt, Monica Lewinsky, eine Affäre gehabt zu haben.

Lieberman plädierte am Sonntag allerdings dafür, es bei einer Rüge zu belassen. Er sei zuversichtlich, daß Clinton die moralische Autorität seines Amtes wiederherstellen könne, um seine Amtszeit ehrenvoll zu beenden. Der Abgeordnete Moran sagte jedoch, Clinton werde nur mit viel Glück ohne eine Amtsenthebungsverfahren davonkommen. Er selbst glaube nicht, daß eine Rüge eine wirkliche Option sei.

Auch der Vorsitzende der republikanischen Mehrheitsfraktion im Senat, Trent Lott, hält es für unwahrscheinlich, daß es bei einem Tadel bleibt. Immerhin gehe es darum, ob der Präsident sich eines Meineides schuldig gemacht habe, als er die Liebesbeziehung im Januar abstritt. Lewinsky hatte nach anfänglichem Leugnen die Affäre mit Clinton vor Starr und dessen Untersuchungsgericht eingestanden und Clinton damit in Zugzwang gebracht. Sie blieb aber dabei, daß Clinton sie nicht zum Leugnen angestiftet hat.

Die Distanzierung von Clinton erfolgt nicht ohne Grund. Anfang November finden in den USA Wahlen statt. Zur Entscheidung stehen ein Drittel des Senates, das komplette Repräsentantenhaus und die Gouverneure der Bundesstaaten. Der Gouverneur von Maryland, Glendening, lud Clinton von einer Wahlkampfveranstaltung aus, die am 2. Oktober in Baltimore stattfinden soll. Für eine Veranstaltung am heutigen Dienstag kündigte er seinen Stellvertreter an. Glendening hatte vor vier Jahren gegen seine republikanische Gegnerin Ellen Sauerbrey nur knapp gewonnen. wg