■ Mit der Seidenstraße auf du und du: Erste Ernüchterung
Falls die zukünftige Seidenstraße zwischen den Ländern Zentralasiens und Europas ein realer Erfolg wird, wird sie vor allem aus Rohrleitungen bestehen. Seit vor sechs Jahren die ersten westlichen Ölkonzerne in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, auftauchten, wird deshalb um den Verlauf der zukünftigen Pipelines gekämpft, die die reichen Vorräte an Gas und Öl aus dem kaspischen Becken nach Westen schaffen sollen. Ein solches Vorhaben aber kostet einen hohen Einsatz von Kapital.
Zur Zeit wird mit dem Geld westlicher Ölkonzerne die alte, zu Sowjetzeiten stillgelegte Pipeline von Baku nach Supsa, am Schwarzen Meer in Georgien, rekonstruiert. Die ursprünglich geschätzten Kosten sind nach inoffiziellen Angaben georgischer Regierungsvertreter bereits weit überschritten worden, und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Trotzdem wollen die amerikanischen Konzerne und das Ölkonsortium unter Führung der British Petroleum, die jetzt mit der Off-shore-Förderung im Kaspischen Meer begonnen haben, auf jeden Fall an dem Projekt festhalten. Ihr vorrangiges Ziel ist es, eine Alternative zu der russischen Pipeline über Grozny nach Noworossisk am russischen Schwarzmeer- Strand zu haben.
Von Georgien aus, so die türkischen und amerikanischen Pläne, soll dann eine weitere Pipeline abzweigen und Öl an den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan bringen.
Doch selbst wenn der Präsident von Aserbaidschan, Gaidar Alijew, seinem Kollegen Süleyman Demirel seine volle Unterstützung bei diesem Vorhaben zusagen sollte, für die türkische Pipeline sieht es aus wirtschaftlichen Gründen trotzdem nicht gut aus. Der Preis für ein Barrel Öl auf den Weltmärkten ist in den letzten Monaten kontinuierlich gefallen und bewegt sich zur Zeit in einem Bereich, der die Kosten für die aufwendige Pipeline ans Mittelmeer nicht einspielen würde. Entsprechend zurückhaltend reagieren die großen Ölkonzerne auf die politischen Wünsche der Türkei.
Die Konferenz in Baku fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem auf den Traum vom schnellen Reichtum mittels der neuen Seidenstraße die erste große Ernüchterung folgt. Nicht nur Demirel muß sich in Geduld fassen. Auch in Aserbaidschan, wo der Reichtum nach den bisherigen Plänen ja seinen Anfang nehmen sollte, werden die Ölkonzerne frühestens in zehn Jahren die ersten Millionen abliefern. Bis dahin müssen erst einmal die enormen Investitionskosten verrechnet werden. Jürgen Gottschlich
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