: „Ach, Sie sind mein Volksvertreter?“
■ Forsa-Studie: Direktkandidaten sind bei ihren Wählern kaum bekannt
Bonn (taz) – Der Wahlkreis Ludwigshafen hat den prominentesten Bundestagsabgeordneten der Republik. Aber nur 17 Prozent der Leute dort wissen, wer sie im Bundestag vertritt: Helmut Kohl. Der Bundeskanzler ist damit in seiner Heimat noch vergleichsweise bekannt. Durchschnittlich kennen nur 10 Prozent der Bevölkerung ihren Direktkandidaten im Parlament. Noch schlechter schneiden die kleineren Parteien FDP, Grüne und PDS ab. Am tiefsten scheint aufgrund der Sozialstruktur in ländlichen Wahlkreisen die CSU in ihrer Wählerschaft verwurzelt zu sein.
Zu diesen Ergebnissen kommt der „große Abgeordnetentest“, für den das Forsa-Institut im Auftrag des Stern 93.651 Wahlberechtigte befragt hat. Manche Resultate sind besonders geeignet, Volksvertreter trübsinnig zu stimmen. Nimmt man etwa den Bekanntheitsgrad bei den Bürgern „daheim“ als Gradmesser für erfolgreiche Arbeit in Bonn, sieht es für viele Politiker düster aus. Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP), Ulla Jelpke (PDS) und Gerd Poppe von Bündnis 90/Die Grünen sind Abgeordnete, von denen 0,0 Prozent der jeweils Befragten in ihren eigenen Wahlkreisen wußten, woher diese Politiker kommen.
Schmeichelhaft ist das Ergebnis dagegen für Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble. Fast 40 Prozent der Wähler in seinem Wahlkreis konnten ohne Gedächtnisstütze seinen Namen nennen. Auch in der Gesamtwertung erhielt Schäuble die Schulnote Eins.
Wer sind die besten Abgeordneten? Unter den ersten 15 Plätzen findet sich niemand von der Regierungsbank. Die beiden großen Parteien SPD und CDU können auf etwa gleich viele Vertreter mit guten Gesamtnoten stolz sein. In den Reihen der Sozialdemokraten gewinnen Herta Däubler-Gmelin und Rudolf Scharping. Auch sonst ähneln sich die Ergebnisse der Volksparteien. Die SPD hat mit der Durchschnittsnote 2,6 die beste Beurteilung für ihre politische Arbeit bekommen, dicht gefolgt von der CDU mit einer 2,8.
Die Studie zeugt aber auch von der Flüchtigkeit des Ruhms. Nur wenige Jahre nach seinem Ausscheiden als Außenminister hat der MdB Hans-Dietrich Genscher (FDP) eines der schlechtesten Ergebnisse bekommen. Das liege daran, daß nur die aktuelle Politik beurteilt worden sei, erklärte gestern Hans-Dieter Klingemann vom Wissenschaftszentrum Berlin. Den einstigen Politstar Hans-Dietrich Genscher dürfte es kaum schmerzen. Dem nächsten Bundestag gehört der Abgeordnete ohnehin nicht mehr an. Ruth Ciesinger
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