: Rot-Signal für Castor?
■ Bundesbahn erwägt, Atomtransporte zu verweigern / Weitere Castor-Demos
Die Atomkraftwerkbetreiber kommen allmählich in Bedrängnis. Der Widerwille gegen die Atomtransporte abgebrannter Brennelemente wächst: Nach den zahlreichen Schienenblockaden vor norddeutschen Atommeilern und den Anschlägen auf Bundesbahnstrecken prüft die Bahn AG derzeit, ob sie künftig in Einzelfällen Castor-Transporte verweigern kann.
Gleichzeitig werde untersucht, ob Schäden durch Protestaktionen gegen die Castor-Beförderung künftig den Auftraggebern in Regreß gestellt werden können. Über eine sogenannte „Haftungsfreistellung“ verhandelt die Bahn AG momentan mit dem Bundesverkehrsministerium, wie das Bonner Ministerium laut Welt am Sonntag bestätigte.
Seit dem Gorleben-Countdown für die erste Castor-Einlagerung mit hochradioaktiven Brennelementen im April 1995 haben militante AtomkraftgegnerInnen in Norddeutschland verstärkt Anschläge auf Bahnstrecken verübt. Wurfanker oder Hakenkrallen wurden in Oberleitungen geworfen, Betonplatten oder Eisenträger auf Schienen gelegt und zuletzt auch Signalanlagen beschädigt. Bei einem Oberleitungsanschlag bei Hamburg im April dieses Jahres kam der Zugverkehr für Stunden zum Erliegen, ebenso wie bei Anschlägen am vorvergangenen Wochenende.
Nach Angaben von Hamburgs Bahn-Sprecher Helmut Kujawa sind durch die Anschläge Schäden in Höhe von „zwei bis drei Millionen Mark“ entstanden. Bundesgrenzschutz und Bahnpolizei rechnen bei weiteren Castor-Einlagerungen mit noch massiveren Aktionen. Dennoch hält sich die Bahn für „das sicherste Transportmittel“ auch für Gefahrenguttransporte.
Unterdessen haben am Samstag in Kiel und Lübeck AtomgegnerInnen gegen weitere Castor-Transporte protestiert. In Lübecks City demonstrierten 130 Menschen gegen die zivile und militärische Nutzung der Atomenergie. In Kiel verhinderten am Sonnabend mittag 25 Atomkraftgegner 20 Minuten lang die Abfahrt des Intercity nach Hamburg, indem sie sich am Bahnsteig gegen den Zug lehnten. Bahnpolizei und Polizei hätten ohne Widerstand der Demonstrierenden den Bahnhof räumen können, teilte die Polizei mit. Kai von Appen
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