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Stellt endlich die Enten ab!

■ Infrasound: Akustische Interventionen provozieren Gegenwehr

„Ein betrunkener HVV-Angestellter hat sich der Mikrofonanlage bemächtigt und lallt da Lieder rum!“ In zwei Stunden kamen mehr als zehn derartige Beschwerden über das Lied „Ik hebb mol nen Hamborger Veermaster seen“, das der Kanadier Ken Lum statt der üblichen Musak-Berieselung in der U-Bahn-Eingangshalle Jungfernstieg abspielen läßt. Ungewohnte Töne ärgern scheint's mehr, als sichtbare Kunst. Die Folge: abgeschaltet.

Die siebzehn Künstler des Projekts Infrasound (taz berichtete) schleichen sich mit kleinen Änderungen in schon vorhandene akustische Einrichtungen ein, um den besonderen Ton-Raum erlebbar zu machen. Aber der Alltag schlägt knallhart zurück und verschlingt die Installationen. An den angegebenen Orten hören neugierige Kunsttouristen nichts und die zuerst gerne kooperierenden Anlieger können es nicht mehr hören.

Die Hälfte der Interventionen im Stadtraum sind aus den verschiedensten Gründen ganz oder zeitweilig unhörbar. Akustische Überlagerungen wie Bau- und sonstiger Fremdlärm gehören dabei zum Konzept, technische Pannen behebt ein regelmäßig die Runde machender Techniker. Doch das Hauptproblem sind die Reaktionen provozierter Mitbürger. Der Mensch kann zwar wegschauen, aber eben kaum weghören. Und anders als beim Straßenverkehr und beim Fluglärm ist bei diesem Projekt ein Zugang zum Lautstärkeschalter möglich. Das führt zur Selbsthilfe.

Das Störungspotential ist geradezu skurril hoch. Wer hätte es sich träumen lassen, daß das von Peter Fend dem modisch-sterilen Fleetmarkt werbewirksam hinzugefügte Entengeschnatter auf Protest stößt? Darf denn nicht eimal der künstliche Verweis auf Natur noch die künstliche Zweitnatur stören?

Da das Projekt auch da, wo es scheitert noch viel über die eigenen Erwartungen und das Klangspektrum der Stadt aussagt, stellen wir weitere Ton-Orte vor. Zeit sollte für eine Hörreise aber mitgebracht werden: manche Installationen sind sowieso nur alle halbe Stunde zu hören (Louise Lawler in der Kunsthalle) oder erst mühsam als nicht üblich zu entschlüsseln, wie die Pfiffe und die Polizeisirene am Geldautomaten der Norddeutschen Landesbank.

Hajo Schiff

Noch bis 5. November an den meisten der 17 Orte, die im Infrasound-Folder angegeben sind

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