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„Unglücklich gelaufen“

■ Staatsanwalt Grosse: „Fall Dialle D.“ könnte sich jederzeit wiederholen

Die Polizisten, die im Januar '94 den Senegalesen Dialle D. brutal zusammenschlugen, „waren Betrunkene, die jeden Anlaß genommen hätten“, um ihre Aggressionen abzulassen. Mit erstaunlicher Übereinstimmung in Wortwahl und Inhalt gab der leitende Oberstaatsanwalt Erwin Grosse am Mittwoch abend vor dem Parlametarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei der Staatsanwältin Marion Zippel volle Rückendeckung.

„Es gab nichts zu beanstanden“, wies der sichtlich nervöse Grosse den Vorwurf schlampiger und tendentiöser Ermittlungsarbeit zurück. Dialle D.s antifaschistische Mütze, die Anlaß für den Angriff der Polizisten war, könne allein nicht als Beweis für einen rassistischen Tathintergrund gelten.

Grosses zentrale Botschaft: Es könnte sich alles ganz genauso wieder zutragen. Zwar sei es „unglücklich gelaufen“, daß Dialles Rechtswanwalt erst acht Monate nach dem Übergriff und nachdem das Verfahren seit Monaten abgeschlossen war, Akteneinsicht bekam. Doch im Grunde habe alles seine Richtigkeit geahbt. Denn auch Grosse sieht es als erwiesen an, daß die Polizisten weder aus rechtsradikalen Motiven prügelten, noch Körperverletzung im Amt begingen.

„Wir haben den Aussagen Dialle D.s im vollen Umfang geglaubt“, so Grosse. Das stimmt nicht ganz. Die Staatsanwaltschaft glaubt dem Afrikaner nicht, daß die Polizisten zu Anfang „Wir sind Bullen und können mit dir machen, was wir wollen“, gesagt haben. Das, so Grosse, habe Dialle bei der zweiten Vernehmung, die zwei Tage später „in Ruhe“ stattfand, schließlich nicht wiederholt. Ob er es nicht wiederholte, weil er es vergessen hat, die Beamten es nicht aufschrieben oder er nicht danach gefragt wurde, ist jedoch völlig offen; die Staatsanwaltschaft versuchte nicht, diesen scheinbaren Widerspruch – der die Polizisten entlastet – aufzulösen.

Für politische Straftaten wäre außerdem eine eigene Abteilung und nicht Staatsanwältin Zippel – Abteilung für Straftaten der Polizei – zuständig gewesen. Dort gebe es „eine Sensibilität in Extremfällen“, sagte Grosse aus. Doch Zippel sah ja bekanntlich im Fall Dialle D. keinen politischen Hintergrund und bearbeitete die Akte selbst. sim

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