: Respekt fürs Schlußlicht Werder
■ taz-Gastautor und Schriftsteller Klaus-Johannes Thies über Werders Niederlage
Die erste Spielminute war noch nicht so richtig abgekühlt, da zitterte schon das Lattenkreuz von Bayer Leverkusen. Und so ging es weiter. Torsten Frings, immer wieder Torsten Frings und zur Abwechslung einmal Juri Maximow mit dem Kopf. Aber das Glück und das Können von Torwart Adam Matysek gesellten sich wie ein Liebespaar zueinander und so blieb es beim 0:0 bis zur 40sten Spielminute. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Werderaner Ball, Rasen und Gegner im Griff. Nur die Zuschauer rauften sich hin und wieder die Haare, so in der 35sten und der 39sten Minute, weil der Tabellenletzte seine Torchancen nicht auswerten konnte.
Eine Minute später pfiff Winfried Burchart aus Schrobenhausen und zeigte auf den Elfmeterpunkt. Wie das? Bernhard Trares hatte den Ball schlecht aufgenommen – ist halt kein Brasilianer – versuchte ihn aber mit einem gewagten Scherenschlag aus dem Strafraum zu befördern, was ihm auch gelang, nur traf er nach dem erfolgreichen Manöver einen Leverkusener Stürmer: Er stand plötzlich mit einem Stollen auf dessen Schulter. Beim Ballet sieht das gut aus, im Fußball heißt das „Gefährliches Spiel“, und weil es im Strafraum geschah, gibt's zur Belohnung für diese artistische Nummer einen Strafstoß. Keine Diskussion, oder doch? Ein gellendes Pfeifkonzert war die Antwort. Länge: vier Minuten. Währenddessen kühlte Andy Herzog sein Wütchen an den unschuldigen rotweißen Plastiksignalhütchen. Hitzkopf Daum glaubte, den Linienrichter schützen zu müssen. Woraufhin Burdenski nur mit Mühe davon abgehalten werden konnte, Herrn Daum wieder zu ordnen. Zur Strafe mußte der Torwarttrainer gemeinsam mit Andy Herzog bei Willy Lemke auf der Ehrenloge sitzen. Endlich kochte die Bude. Fast hätte Kirsten vergessen, den Elfmeter auszuführen.
Dann kam es wie es kommen mußte: Acht Minuten nach der Teepause glich Lody aus, der zweite Elfmeter, diesmal lupenrein. In der 59sten schaffte es Frings einfach nicht, den Ball nicht im Tor unterzubringen (genial vorbereitet von Maxi und Bode). Das 2:1 stand, die Strafräume hatten sich beruhigt, der Rasen war glattgezogen, und das Ergebnis hätte auch nicht gewackelt, wenn, ja wenn nicht die feuchten Handschuhe von Frank Rost gewesen wären, die den Ball in der 90sten Spielminute tatsächlich durchflutschen ließen. „Da muß er durch“, sagte Trainer Sidka bei der anschließenden Pressekonferenz und fügte hinzu: „Es geht weiter.“
Natürlich. Heute gibt es Hackepeter und und Leberwurst. Aber am Dienstag kommt Bogdanovic von Athletico Madrid als Leihgabe – und dann gibt es Kaviar. Es geht weiter aufwärts, Grün/Weiß, hätte Sidka auch mal sagen können – selbst wenn Daum vom schlechtesten Saisonspiel seiner Mannschaft sprach. Aber der Gegner spielt immer nur so gut, wie es Werder zuläßt. Und so, wie Werder sich als Gastgebber aufgeführt hat, verdient der unverdiente Träger der roten Laterne großen Respekt.
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