: Typen für das neue Jahrtausend Von Björn Blaschke
M&M, die Firma mit den Tüten, in denen leckere Schokoladenkugeln oder Erdnüsse herumklickern; Schokoladenkugeln oder Erdnüsse, deren lustig-bunte Zuckerglasuren unverständlicherweise „Zuckerüberzug“ genannt werden, obwohl Überzüge eigentlich nur auf Bettdecken gehören, unter denen aber niemand diese Dinger ißt, weil ihre spitzen Krümel zu sehr beim Poppen pieksen; M&M fragt jedenfalls seit einiger Zeit unter der Überschrift „Ego Check 2000“: „Bist Du auch ein JAHRTAUSEND-EGO? Check it out! M&M sucht Typen für das neue Jahrtausend. Mädchen und Jungs, Frauen und Männer, die sind, wie sie sind, und es einfach drauf haben. M&M's und SAT.1 bringen sie ins TV! Dieses Jahr noch. Hast Du's drauf? Dann bewirb Dich.“
Liebe M&Ms! Ich habe es outgecheckt und schlüge Ihnen gern einige Kandidaten vor: etwa den Filmemacher Atom Egoyan oder den Parfumnegoziteur (vulgo: -händler), dem wir das dégoutante Patchouli der 90er verdanken: Egoiste. Empfehlen möchte ich auch den Entdecker der physikalischen Einheit Ohm, der den schönen Plural von Megaohm, Megohm, erfand, oder den Franzosen Bégon, der die höchst eklige Begonie ermendelte.
Doch Scherz beiseite, liebe M&Ms, die wahren Jahrtausend- Egos sind selbstverständlich andere. Und kommen Sie bitte nicht auf die Idee, die Erfinder von OB, Antibabypille, Präservativ oder Kontaktlinse zu Jahrtausend-Egos zu erklären, oder Jesus, den Dalai Lama und Mahatma Ghandi, die uns lehrten, wie der Arsch vom Eimer runter und direkt ans Kreuz gelangt. Auch Berti Vogts, obwohl er im Interesse der deutschen Fußballnation von seinem Posten als Nationaltrainer zurücktrat, scheidet aus. Ebenso der Erfinder der Lichterketten; Heinerle Böll, dessen schriftstellerischer und politischer Mut bis Mutlangen langte; Jutta Ditfurth, die ihre namentlichen Latifundien aufgab und nur noch Fundi sein will; jeder Ausländer-, Behinderten-, Frauen-, Schwulen-, Gleichstellungs- und Kanarienvogelbeauftragte.
Kurzum: Menschenliebende Menschen können keine Jahrtausend-Egos sein. Dererlei Knödelköppe kaschieren ihren extremen Egoismus durch Altruismus, stehen nicht zu ihrem ausgeprägten Ego, sind also nicht, wie sie sind, und deshalb bestenfalls JAHRHUNDERT-ALTRUS.
In absoluter Fehlselbsteinschätzung würden sie Ihnen sicherlich ein Humunkulus-Ego präsentieren, das alle Quoten zusammen erfüllte: die alleinerziehende, schwule, einbeinige, jüdisch-türkische Neger-Transe mit Geburtsort Bitterfeld/DDR. Und das wäre falsch, liebe M&Ms. Die wahren Jahrtausend-Egos sind Diktatoren, Könige, Kriegsherren und andere Popstars, Menschen jedenfalls, die ihr ausgeprägtes Ego ausleben und uns deutlich zeigen, daß sie es einfach drauf haben.
Hier ein paar Namen, deren Träger uns auch noch ins nächste Jahrtausend begleiten – und wenn auch nur in unserer Erinnerung: Saddam Hussein, Laurent Kabila, Ussama Bin Laden, Lady Di, Wolfgang Schäuble, Gerhard Schröder, Pur und die Manager von „Du-darfst-Margarine“ – das sind Mädchen und Jungs, Frauen und Männer, die sind, wie sie sind. Das Wichtigste aber, was sie auszeichnet, ist: Sie alle sind bekennende Smarties-Esser.
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