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Obst abonnieren und Hühner leasen

Auf Hof Dannwisch bei Elmshorn bestimmen die Kartoffeln selbst, wann sie geerntet werden: Modernes Marketing und ökologischer Landbau sind keineswegs Gegensätze  ■ Von Julia Schmidt

Öko-Wochenmarkt in Ottensen: „Haben Sie schon mal ein Huhn geleast?“ fragt Dieter Greve eine Kundin. Die kräuselt belustigt die Brauen und erfährt sogleich, wie der Bauer von Hof Hasenkrug sich seine neueste Marketing-Idee vorstellt. Beim Hühner-Leasing bezahlt die Kundin zwischen 139 und 259 Mark im Jahr für ein Eier-Abo – wöchentlich geliefert, aus ökologischer Freilandhaltung und in der gewünschten Menge und Größe. „Die Idee mit dem persönlichen Huhn ist natürlich nur zum Anlocken. Die Eier sollen ja nicht unterschiedlich frisch sein“, räumt Greve ein. Bisher sind erst wenige Kunden aufs Leasing umgestiegen, aber man muß ja auch neues Marketing ausprobieren, findet der 36jährige und brütet weiter auf seinem Eier-Abo.

Auch auf Hof Dannwisch im schleswig-holsteinischen Horst bei Elmshorn hat man modernes Marketing entdeckt: Das Geschäft mit dem Gemüse-Abo beginnt um sechs Uhr in der Früh. Es gibt so viel zu tun, daß Frauen aus dem Dorf gekommen sind, um beim Packen zu helfen. In die Abo-Kiste kommen heute frisches Gemüse vom Feld, Salat und Kartoffeln. Dazu die eigene Vorzugsmilch, Brot und Eier nach Bedarf und ein Lieferschein-Briefchen mit Nachrichten vom Hof über das aktuelle Leben auf dem Lande: „Es wäre schön, wenn Sie Ihre Kiste wie einen Vorgarten erleben: Sie schauen hinein und freuen sich, sehen, welches Gemüse diese Woche geerntet werden muß ...“ Mit dieser frischen Vermarktungsidee beliefert der „demeter“-Hof rund hundert Kunden. Eine ganze Kiste biologisch-dynamisches Gemüse für 15 bis 25 Mark in der Woche, die Nachfrage steigt ständig.

Wie eine Insel liegt Hof Dannwisch inmitten seiner Felder und Weiden. Schweine fläzen sich im offenen Koben, die Kälber hopsen im Auslauf herum, und an allen Ecken blühen Bauerngarten-Beete. „Hier sieht es aus wie früher“, bemerkt der Lieferant, der die neue Waage aus dem Kofferraum hebt, und übersieht dabei, daß fast alle Gebäude weniger als zehn Jahre alt sind. Hof Dannwisch ist zweimal abgebrannt, 1979 und 1983. „Man hat ja heutzutage nur noch eine Chance, wenn man Produkte weiterverarbeitet. Wenn man sie als Rohstoff abgibt, kann man davon als Landwirt kaum noch existieren“, erklärt Thomas Scharmer (39). Er ist einer von sieben Bauern, die Hof Dannwisch seit 1989 als „Betriebsgemeinschaft“ bewirtschaften. Der Bauer spricht vom Marketing: „Die persönliche Begegnung mit dem Landwirt bildet Vertrauen. Die Kunden kommen auf den Hof, sie können Fragen stellen, wie produziert wird.“ Das ist Öko-Trend: weniger anbauen und direkt vermarkten. Statistiken belegen, daß die ökologische Landwirtschaft zwar im Vergleich zur konventionellen weniger ertragreich ist. Durch Einsparungen bei Dünger und Spritzmitteln und durch die höheren Verkaufspreise kommen aber Öko-Bauern am Ende mit einem besseren Erwerbsdurchschnitt weg. 36.536 Mark Gewinn hat ein Öko-Bauer jährlich pro Arbeitskraft, nur 31.701 Mark sein konventioneller Kollege.

Heute Nachmittag ist der Hofladen geöffnet. Die meisten Kundinnen schieben einen dicken Bauch oder einen Kinderwagen vor sich her. Sie kaufen die Kartoffeln vom Hof, aber auch Pilze aus Ungarn, Aprikosen aus Italien und Bananen aus Übersee, alles aus biologisch-dynamischem Anbau. Nachdem sie an der Kasse 25, 70 oder 140 Mark bezahlt haben, ohne mit der Wimper zu zucken, stellen sie sich zum Schwatz auf den Hof. Draußen auf dem Feld pflanzen die Azubis Gesa und Paul Salat – mit der Hand. Ein paar Furchen weiter jäten ein paar Leute auf den Knien das Möhrenfeld durch. Hunderte von Salatpflänzchen müssen in die Erde, und selbst zu dritt schafft man am Nachmittag kaum die Länge einer Furche.

So funktioniert biologischer Anbau: Am Abend macht Thomas Scharmer mit seinen Lehrlingen einen Felderrundgang, erzählt, wie der Winterroggen angebaut wurde und wie man die Saat behandeln muß. „Den Weizen kannst du hart anfassen, der wird dann ganz wild!“ Die Kartoffeln auf Hof Dannwisch bestimmen selbst, wann sie aus der Erde müssen. Weil sie nicht gespritzt werden, bekommen sie die Kraut- und Knollenfäule Phytophtera, eine Pilzkrankheit, und die Pflanze geht über der Erde ein. Ein natürlicher Vorgang, durch den die Knollen abreifen und geerntet werden können. „Dieses Jahr müssen wir aufpassen, weil es so feucht war. Da kommt die Krautfäule zu früh.“ Wie im ökologischen Landbau mit der Marke „Bioland“, „Naturpark“ oder „Naturland“ verzichten die Bauern vom Hof Dannwisch völlig auf mineralischen Dünger und chemische Pflanzenschutzmittel.

Hinter dem Siegel „demeter“ verbirgt sich aber noch viel mehr: Rudolf Steiner begründete 1924 diese Anbauweise als „biologisch-dynamische“ Landwirtschaft. Steiner sah den Bauernhof als Ort des Zusammenlebens, der möglichst viele Menschen beschäftigt. Auf Hof Dannwisch leben und arbeiten 35 Menschen, die eine Fläche von 110 Hektar Felder und Weiden bewirtschaften. Sie wollen, so Scharmer, eine Art „diplomatischen Dienst“ zwischen Mensch und Natur verrichten. Deshalb auch das Briefchen an den Abo-Kisten.

Die Dannwisch-Praktikantin Berenice (22) bekam ihre biologisch-dynamische Weihe heute schon um sechs Uhr früh, als sie das Hornkiesel-Präparat zum ersten Mal rühren durfte. Gemahlener Quarz, ein halbes Jahr lang in einem Kuhhorn vergraben, rieselte in homöopathischen Dosen in das Wasserfaß. Berenice rührte eine Stunde lang, bis das Wasser „dynamisiert“ war. Auf die Kartoffeln gespritzt soll das Präparat „Lichtkräfte“ stärken und den Pilzbefall der Pflanzen verhindern. Ob es hilft? Thomas Scharmer ist davon überzeugt, aber: „Wir wollen nicht missionieren ... Ich bin überzeugt davon, daß unsere Kunden wissen, was ,demeter' ist, aber das hört dann auch ziemlich schnell auf“, sagt er. Die Kunden wollen ihre gesunde Abo-Kiste oder die Landpartie zum Hofladen-Einkauf. Und für die Präparate auf den Kartoffeln gilt: Wer's glaubt, wird selig. Wer's nicht glaubt, ißt trotzdem gesund.

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