Techno schafft Einzug in die Pariser Kultur

■ Nach Jahren im Abseits feiern RaverInnen erstmals ganz offiziell in Frankreichs Hauptstadt

Die Place de la Nation hat schon eine Menge erlebt: vom triumphalen Einzug Ludwig XIV. nach Paris, über die Guillotine, unter der 1.300 Köpfe binnen 43 Tagen rollten, bis hin zu den Abschlußkundgebungen Hunderter von Demonstrationen. Aber so laut, wie am vergangenen Samstag abend, war es auf dem Platz im Pariser Osten noch nie.

Rund 100.000 RaverInnen hatten sich zu der ersten großen (und legalen) Techno-Veranstaltung in der französischen Hauptstadt eingefunden. Den ganzen Nachmittag lang waren sie in heftigen Zuckungen hinter 30 Lkw hergezogen, die Lautsprecheranlagen sowie Werbeplakate für Diskos und andere Unternehmen der Techno-Branche transportierten. Am frühen Abend trafen sie an der Bastille auf ein paar tausend GegnerInnen der Rechtsextremen, die ihrerseits eine Demonstration abgehalten hatten.

Die gepiercten Nasen und Augenbrauen, die für die Gelegenheit rot und grün gesprühten Haare und die rundum tätowierten Bauchnabel vermischten sich mit orangefarbenen großen Stickern mit der Aufschrift: „Rühr meinen Kumpel nicht an“. Und als am Abend das Gratiskonzert auf der Place de la Nation begann, pirschten sich auch noch ein paar Rechtsextreme heran. Zu den befürchteten Schlägereien zwischen RaverInnen und Delegationen der Front National, die wenige hundert Meter weiter ihre jährliche „Bleu-Blanc-Rouge- Fête“ veranstaltete, kam es nicht.

Nach zehn Jahren, während derer die wachsende Techno- Gemeinde in Frankreich die meisten ihrer Konzerte in abgelegenen Lagerhallen und Industriezonen abhielten, hat diese Elektronikmusik am Samstag ihren Einzug in die offizielle Kultur geschafft. Zwar mit weniger TeilnehmerInnen als erwartet, aber mit einem Echo, das nicht überhörbar war. Schon am Tag danach kündigte die sozialistische Kulturministerin Catherine Trautmann, die die Fête mit 300.000 Francs (zirka 90.000 Mark) bezuschußt hatte, an, sie werde weitere Mittel für die „neuen Formen der elektronischen Musik“ zur Verfügung stellen. Zugleich will sie die Präfekten anweisen, Techno-Veranstaltungen fortan wie „alle anderen Konzerte auch zu behandeln“. Bislang hatte sich der Umgang der Pariser VertreterInnen in der Provinz mit der Techno-Musik auf die Organisation von Polizeieinsätzen beschränkt.

Josselin Hirsch von der Vereinigung „Technopol“, die das Ganze organisiert hatte, war des Jubels voll. Seine Rechnung, das Techno- Publikum mit einem gigantischen Gratiskonzert im Herzen der Hauptstadt zu vergrößern, ist aufgegangen. Auch wenn zahlreiche Neugierige das Gelände nur einmal umrundeten, um sich anschließend in ruhigere Stadtgebiete zu flüchten.

Die hauptsächlichen TeilnehmerInnen der Techno-Parade waren unter 25 Jahren jung, entschieden weniger exzentrisch (gekleidet) als jene in Berlin und Zürich und blieben bis Mitternacht. Manche von ihnen träumten bereits von einer „globalen Rave-Party“, die im nächsten Jahr zeitgleich in Paris, Berlin und Zürich steigen könnte. Kurzinterviews mit ihnen waren aus akustischen Gründen leider nicht möglich. Beobachten ließ sich aber ein zufriedenes Lächeln auf Tausenden von Gesichtern im Gedränge. Neben Musik und Lasershow dürfte dazu auch der Cannabisduft beigetragen haben, der über dem Konzert lag.

Die bei anderen Demonstrationen auf dem Platz reichlich vertretene Polizei hielt sich am Samstag dezent zurück. Nicht nur die PromotorInnen der Techno-Musik, sondern auch ihre ordnungshütenden FreundInnen wollten Toleranz beweisen. Dorothea Hahn