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Eine politische Entscheidung

Das anthroposophische Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin kämpft drei Jahre nach Eröffnung trotz erfolgreicher Arbeit gegen die drohende Schließung  ■ Von Jochen Siemer

Roland Bersdorf rezitiert die Erfolgsgeschichte des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe längst auswendig: steigende Auslastung, Senkung der Kosten, Straffung der Organisation und vor allem wachsende Nachfrage bei den Patienten aus Berlin und Umgebung. Auch wenn er anerkennende Worte von Experten und Verantwortlichen aus dem Berliner Gesundheitswesens zitieren will, steht ihm ein reicher Fundus zur Verfügung. Auf die Frage, wie es denn um die Zukunft des erst vor drei Jahren eröffneten Hauses bestellt ist, weiß der Geschäftsführer der „Klinik für anthroposophisch erweiterte Heilkunst“ trotzdem keine Antwort: „Das entscheidet sich politisch.“

Die Politiker haben schon einmal entschieden, und zwar pro Havelhöhe. Quer durch alle Parteien herrschte Anfang der neunziger Jahre Konsens darüber, daß Berlin der dritte Standort für ein anthroposophisches Krankenhaus in Deutschland werden soll. Außer an einer Handvoll Fachkliniken oder Unterabteilungen „konventioneller“ Häuser wird dieser medizinische Ansatz nämlich nur noch am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und in Filderstadt (Filderklinik) verfolgt.

Jetzt aber haben sich Experten von außerhalb in die Debatte eingemischt. In einem von Senat und Krankenkassen gemeinsam bestellten Gutachten empfiehlt das Kieler Institut für Gesundheits-System-Forschung die Schließung von Havelhöhe.

Das hat allerdings keine medizinischen Gründe. „Die inhaltliche Frage eines anthroposophischen Krankenhauses in Berlin“, erklärte der Leiter des Instituts, Professor Fritz Beske, bei der Präsentation seiner Expertise am 19. August, „hatten wir nicht zu bewerten.“ Beske und seine Kollegen sollten lediglich prüfen, wie die im Vergleich zu anderen Großstädten unverhältnismäßig hohen Kosten für stationäre Behandlungen wirksam einzudämmen seien. Für einen Krankenhausaufenthalt fallen in Berlin sogenannte „Fallkosten“ von durchschnittlich 9.300 Mark an – in München sind es 7.600.

Die Gutachter empfehlen drastische Konsequenzen. Sie belassen es nicht bei Umstrukturierungen oder punktuellen Sparmaßnahmen, sondern schlagen die komplette Aufgabe von insgesamt sieben Krankenhäusern vor. Havelhöhe droht also – schwacher Trost – kein Einzelschicksal. Nur fühlt man sich hier besonders ungerecht behandelt.

Das Klinik-Gutachten fußt nämlich auf Zahlen von 1996 und (teilweise) 1997. Zu dieser Zeit befand sich Havelhöhe – zuvor ein Standort der städtischen Krankenhausbetriebe – noch mitten in der Aufbauphase und wies Fallkosten bis zu 9.800 Mark auf. Inzwischen aber hat sich die Auslastung der rund 320 Betten auf etwa 90 Prozent erhöht (1996: 70,7 Prozent), die Fallkosten liegen bei 7.540 Mark und damit weit unter dem Berliner Durchschnitt.

Das Gutachten nennt zwar auch noch andere Gründe für seine Schließungsempfehlungen, etwa die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu geringe Bettenzahl der meisten Stationen. Der Streit um Wahl und Gewichtung dieser Kriterien ist in vollem Gang. Entscheidend dürfte aber letztendlich sein, was unterm Strich steht, und deshalb wird Roland Bersdorf auch diese Zahlen in den kommenden Wochen wohl noch oft hersagen. Der Senat hat sich nämlich gegenüber den Krankenkassen schon vor der Vergabe des Gutachtens verpflichtet, die ausgesprochenen Empfehlungen auch in die Tat umzusetzen – solange nicht schlüssig erklärt werden kann, daß sie ungerechtfertigt sind.

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