Das dreibeinige Ungeheuer und Murphys Gesetz Von Ralf Sotscheck

Der Plan war gut, aber schiefgegangen ist er dennoch – Murphys Gesetz. Und Murphy stammt aus Irland, genau wie Aine. Im Gegensatz zu Aine versuchte Murphy allerdings nie, eine streunende Katze einzufangen, um sie zum Tierarzt zu bringen. Die Mieze hüpfte bereits seit Tagen auf drei Beinen vor dem Haus herum, offenbar war die Vorderpfote gebrochen. Aine warf ihr ein Weile Kittekotz hin, um sie in Sicherheit zu wiegen. Dann stellte sie das Futter in einen Katzenkäfig, den der Tierarzt für solche Fälle parat hält. Damit nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Zunächst kooperierte das scheue Katzentier und kletterte in den Käfig. Aine schlug geschwind die Plastikklappe zu. Doch mit einem Tritt, den man ihr keinesfalls zugetraut hätte, stieß die ausgemergelte Katze die Tür wieder auf und sprang heraus. Aine bekam sie gerade noch am Bauch zu fassen – vermutlich die ungünstigste Stelle, um eine Katze zu packen, denn nun zückte sie die Krallen ihrer drei noch verbliebenen Pfoten sowie sämtliche Zähne und wehrte sich aus Leibeskräften. Aine, im Schockzustand, vergaß, das Tier loszulassen, bis es zu spät war. Sie sah aus, als hätte sie einen Schwarm Piranhas beidhändig gestreichelt.

Die Ärztin, die eine Antitetanusspritze verabreichte, zog ihren Mann zu Rate, einen Pathologen, was dem Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin und Patientin nicht eben förderlich war. Gemeinsam staunte das Mediziner-Ehepaar über den Schaden, den das dreibeinige Ungeheuer angerichtet hatte. So etwas hatten sie noch nie gesehen, vielleicht würde Aine sogar zur Fußnote in der Medizingeschichte. Da müsse ein Antibiotikum her, die Hände seien voller Kokken, und zwar allerlei interessanter Sorten. Am besten solle sie gleich zwei Antibiotika nehmen, um auf Nummer Sicher zu gehen.

Vier Tage später war die Hand so groß wie ein Tennisball. Wenn man Aine auf die Schulter drückte, spritzte der Eiter am Zeigefinger heraus, was für viele Stunden der Unterhaltung sorgte. Die Antibiotika hatten gründlich versagt. Die Ärztin war entzückt, witterte sie doch eine exotische Art von Kokken, die möglicherweise nach ihr benannt würde. Noch entzückter war sie, als sie Aines Scheckbuch sah. „Sie werden es brauchen“, meinte sie, „in der Apotheke.“

Jede Tablette kostete umgerechnet zehn Mark – zwei Stück täglich, zwei Wochen lang. Freilich half auch das Luxus-Antibiotikum nichts. Seitdem muß sie täglich ins Krankenhaus, wo ihr der Chefarzt professionell auf die Schulter drückt, um den Eiter spritzen zu sehen. Inzwischen ist das Schauspiel aber fast vorbei, die Bakterien so gut wie beseitigt, jedoch auch die nützlichen körpereigenen, so daß Aine nun von Kopf bis Fuß mit Ausschlag übersät ist. Auch dafür gibt es Tabletten. 45 Mark pro Stück.

Der dreibeinigen Katze geht es gut, neulich hat sie sich wieder blicken lassen und nach Kittekotz gefragt. Die Arztrechnungen und die Kosten für Aines Medizin hätten ausgereicht, um das Untier mit Räucherlachs zu füttern bis an sein Lebensende. Dieser Augenblick ist gar nicht so weit entfernt, wenn es nach mir geht. Für den Fall, daß das teure Tier wieder auftaucht, habe ich ein Katzenantibiotikum zurechtgelegt: Es ist faustgroß, zwei Kilo schwer und wird äußerlich verabreicht.