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Alter Hase mit kleinen Fehlern

Der irrwechselnde FCK-Trainer Otto Rehhagel scheitert an der Ausländerfeindlichkeit der Bundesliga und verliert schon wieder gegen Bochum  ■ Aus Kaiserslautern Christoph Biermann

Eine seltsame Mattigkeit hatte von Beginn an über allem gelegen. Auch als der 1. FC Kaiserslautern nach fünf Minuten in Führung gegangen war, wollte sich auf dem Betzenberg kaum Begeisterung einstellen. Fast apathisch spulten die Spieler des FCK ihr Programm ab, und die sonst so aufgepeitschten Zuschauer verfielen in teilnahmloses Dösen. Es war wie eine Vorahnung dessen, was Otto Rehhagel später „einen schwarzen Tag“ nennen sollte.

Das Schicksal nahm in der 40. Minute seinen Lauf. Michael Schjönberg prallte mit Bochums Torhüter Thomas Ernst zusammen und brach sich dabei Schien- und Wadenbein. Trainer Rehhagel war „so geschockt, daß ich als alter Hase den Pascal Ojigwe eingewechselt habe“. Der ist Nigerianer, womit sich die Zahl der sogenannten „Nicht-EU-Ausländer“ im Team des 1. FC Kaiserslautern auf irreguläre vier Akteure erhöhte, der Brasilianer Ratinho sowie der Ägypter Samir und Ramzy waren die anderen. „Wir wußten zur Halbzeit schon, daß wir das Spiel praktisch verloren hatten“, sagte Rehhagel. Man darf dem schuldbewußten FCK-Trainer („Ich nehme die Niederlage auf meine Kappe.“) den Schock durch die Verletzung von Schjönberg durchaus als glaubwürdige Ausrede abnehmen. Denn eigentlich, so hatte er vor dem Spiel gesagt, hätte er Ojigwe gerne schon vorher eingesetzt, was aber aufgrund der Regularien eben nicht möglich war.

Damit hat nun auch Otto Rehhagel seinen Platz in der Reihe jener Trainer gefunden, die sich in den Ausländerregelungen verstrickt haben. Begründer dieser Tradition des Wechselfehlers ist Hennes Weisweiler. Er brachte im Februar 1977 als Trainer des 1. FC Köln beim Spiel in Frankfurt mit Roger van Gool einen dritten Ausländer. Weil seine Mannschaft mit 0:4 unterlag, spielte diese Panne keine Rolle mehr. Christoph Daum bereitete mit einem Wechselfehler im Europapokalspiel gegen Leeds United sowohl das Ausscheiden des VfB als auch das Ende seiner Zeit als Trainer in Stuttgart vor. Horst Heese, Giovanni Trapattoni, Winfried Schäfer und Günther Sebert komplettieren die Liste der Irrwechsler.

Gerettet werden konnte für Kaiserslautern auch nichts mehr durch die Posse um Hani Ramzy. Der kam nur drei Minuten nach dem Fauxpas zur Behandlung an den Spielfeldrand und wurde dort davon informiert, daß er als überzähliger „Nicht-EU-Ausländer“ jetzt verletzt ausgewechselt werden müßte. Im offensichtlichen Bewußtsein ihrer Niederlage bejubelten die Lauterer in der gespenstischen zweiten Halbzeit ihr Tor zum 2:0 nur noch matt, um dann in völlige Lethargie zu verfallen. Die Gäste aus Bochum, mit einer Art Reservermannschaft angetreten, drehten in Halbkenntnis der Umstände das Spiel innerhalb von nur einer Viertelstunde um. „Wir haben zwar in der Halbzeitpause was von dem Fehler mit der Auswechslung gehört, wußten aber nicht genau, was das wirklich bedeutet“, meinte Thomas Reis.

Damit hatte der VfL Bochum innerhalb von vier Tagen zum zweiten Mal in Kaiserslautern gewonnen, doch erneut beschlich Trainer Toppmöller das Gefühl, „daß unser Sieg kaputtgeredet wird“. Der Erfolg im Pokalspiel war von der Öffentlichkeit bereits unter der Rubrik „Kaiserslautern will die Dreifachbelastung zumindest um den Pokal reduzieren“, verbucht worden. In den Tagen danach hatte Toppmöller in die unschuldigen Augen seiner jungen Spieler blicken müssen, die ihn erstaunt gefragt hatten: „Trainer, gibt es das überhaupt?“ Und jetzt angeblich schon wieder nur deshalb gewonnen, weil die anderen den Sieg hergeben mußten. „Sollen wir noch mal herkommen?“ fragte Toppmöller genervt. Und damit verbat er sich auch gleich die Überlegungen seines Managers Hilpert, der trotz des Sieges Protest einlegen wollte, um ein besseres Ergebnis zu erzielen (2:0 statt 3:2): „Die Fairneß soll siegen.“

Für den 1. FC Kaiserslautern ist nach seiner Bochumer Woche die Möglichkeit erst mal ausgeschöpft, komische Niederlagen in Wären- Normalerweise-Siege umzudeuten. „Jetzt beginnt die Arbeit in einer schwierigen Phase“, meinte Otto Rehhagel. Denn gegen den VfL geht es mit Sicherheit erst wieder in einem halben Jahr.

VfL Bochum: Ernst – Waldoch, Sundermann, Fahrenhorst – Bemben (58. Dzafic), Petrovic (39. Gülünoglu), Hofmann, Schiendzielorz, Toplack (46. Reis) – Buckley, Bastürk

Zuschauer: 42.000; Tore: 1:0 Rische (5.), 2:0 Marschall (58.), 2:1 Reis (60.), 2:2 Buckley (61.), 2:3 Dzafic (74.)

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