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Bequem ins Abenteuer

Die Fahrradmesse IFMA belegt einen Trend hin zur Bequemlichkeit beim Radfahren. Die Branche klagt jedoch über Stagnation  ■ Aus Köln Helmut Dachale

Radfahren – eines der letzten Abenteuer der Menschheit? Diese Frage könnte sich aufdrängen, wenn man in den Bike Adventure Park der Internationalen Fahrrad- und Motorrad-Ausstellung IFMA in Köln gerät und dort auf Oliver Großmann trifft. Der Weltmeister im Trial zeigt, was mit einem megastabilen Fahrrad so alles anzufangen ist: auf meterhoche Podeste hüpfen oder über einen echten BMW springen.

Der bayerische Autokonzern ist in dieser Halle auch mit Fahrrädern vertreten, ebenso wie Audi, Daimler und Porsche. In der Mehrzahl zeigen sie hochgezüchtete Boliden, Imageträger. Das billigste Modell der Porsche-Kollektion ist für 3.500 Mark zu haben, das teuerste kostet knapp 10.000 Mark.

Im Zentrum der „Erlebniswelt rund ums Rad“, die ihre Tore von heute bis Sonntag für die Öffentlichkeit öffnet, hat sich indes der deutsche Importeur von Shimano angesiedelt, der weltweiten Nummer eins unter den Fahrradkomponenten. Er hat darauf geachtet, daß er umgeben ist von großen Namen, von Glanz und Glamour, von Action und einer Bühnenshow mit schönen, jungen Menschen.

Dem Fachpublikum scheint der Wirbel recht zu sein. Die rund 1.000 ausstellenden Firmen sprechen zwar nicht von Krise, wenn sie an den deutschen Markt denken. Aber froh wären sie schon, wenn in diesem Jahr nicht weniger verkauft wird als die 4,5 Millionen Räder 1997. Die fetten Jahre sind vorbei, seit längerem stagnieren die Umsätze. In diesem Jahr hat zudem das schlechte Wetter das Fahrradgeschäft verdorben. Ein Fachhändler aus Bremen jammert: „Der Markt ist voll, die Kids fahren Rollerskate, und die Älteren wollen es beim Radfahren so bequem haben wie im Auto.“ Den „aktiven Radfahrern ab der Lebensmitte“ möchte der Automobil-Club ADAC behilflich sein. Eine Umfrage unter seinen Mitglieder hat ihm die Erkenntnis gebracht, Menschen ab 40 wollten andere Fahrräder, die zum Beispiel die orthopädisch korrekte Sitzhaltung zulassen, leicht zu besteigen und gefedert sind und eventuell die nachlassende Kraft der Beine durch einen Elektromotor unterstützen. Im Adventure Park informiert der ADAC über 14 Velos, die diesen Kriterien entsprechen sollen und sich deshalb mit dem Titel „ADAC-Model+“ schmücken dürfen. Darunter das Hybrid Bike von Mercerdes-Benz.

Es gehört zu der neuen Generation der E-Bikes, die auf der IFMA überall zu sehen sind und sich offensichtlich anschicken, ihre bisher klitzekleine Marktnische zu verlassen. Die sogenannte Power-Assist- Technologie besteht aus einem Akku-betriebenen 250-Watt- Elektromotor, der dem Radler zu ewigen Rückenwind verhilft – allerdings nur bis Tempo 24. Nachteile: hohes Gewicht, geringe Reichweite.

Das Daimler-Bike gilt mit seinen 26 Kilo noch als Leichtgewicht unter den Rädern mit Zusatzantrieb, andere bringen bis zu 40 Kilo auf die Waage. Bei durchschnittlicher Geschwindigkeit reicht der Akku des über 3.000 Mark teuren Pedal-Benz lediglich für ganze 30 Kilometer. Dann muß er für Stunden ans serienmäßig mitgelieferte Ladegerät.

Shimano setzt lieber auf Elektronik. Sein Hit soll eine Viergang- nabe werden, die automatisch die Gänge einlegt. Das Schalten richtet sich nach der Geschwindigkeit, die mittels Sensor am Hinterrad gemessen wird. An einer kleinen Box am Lenker ist nur noch der gewünschte Fahrstil zu programmieren (normal oder sportlich). Schalthebel entfallen. Die ersten Fahrräder mit Shimanos Nexus Auto-D kommen im Frühjahr in die Läden, für den kompletten Einbausatz ist mit einem Preis um 500 Mark zu rechnen.

Auf alle Fälle nähere sich die Fahrradindustrie „machtvoll dem Komfortbereich“, so der Vorsitzende des Fahrrad-Clubs ADFC, Wolfgang Große. Was er wohl auch weiß: Komfort kostet, und bei zuviel Komfort könnte das Abenteuer des Radfahrens auf der Strecke bleiben.

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