piwik no script img

Antwort auf den Leserbrief der Verwandten

■ betr.: „Nicht ausreichend begrün det“, taz vom 23. 9. 98, Leserbrief zu dem Interview mit Karl Heinz Dellwo, tazmag vom 27./28. 6. 98

Ach ja, nicht tabuisiert, aber der Hinweis auf den Brief von Rolf Heißler. Dort nämlich wird deutlich, daß das mit dem Tabuisieren doch noch Gültigkeit hat, und ganz nebenbei Karl Heinz Dellwo tüchtig eins auf den Deckel bekommt.

Was er so angeblich nicht alles beachtet hat an politischen Belangen der damaligen Bundesrepublik, und vor allem sein eigenes Befinden! Diesen Hinweis finde ich persönlich am miesesten, denn wer einmal im Zusammenhang mit Stadtguerilla gekämpft hat, weiß sehr wohl Krankheit von politischen Ereignissen zu trennen. Und auch die unterdrückte Sexualität kann sehr wohl von politischen Analysen getrennt werden. Wenn also die mangelnde Kollektivität beklagt wird, und noch heute der MORD an den Stammheimern ohne Wenn und Aber eingeklagt wird, dann ist das genau der Dogmatismus und das Tabu, das jegliche Zweifel ausschließen soll.

Brigitte Mohnhaupt hat einmal nicht umsonst darauf verwiesen, daß ein kämpfendes Kollektiv sehr wohl bis zum letzten Atemzug fähig ist, sich selbst zu bestimmen. Autonomie schließt aber auch das Recht auf die Bestimmung des Zeitpunktes des eigenen Todes ein, ob es politisch sein darf oder nicht. Daß es mittlerweile jede Menge Lebenslügen gibt in bezug auf die Kämpfe mit der Waffe oder dem Widerstand generell seiner Zeit, das kann prima nachgelesen werden in den einzelnen Autobiographien, die den Markt füllen.

Das Denken von Todesstrafe und deren Ausführung sind zwei Paar Schuh, die selbst ein Militär bedenken muß. Pöbeldiskussion ist auch noch mal etwas anderes als Krisenstabsüberlegungen. Nicht, daß ich jeder Regierung nicht auch jede Schweinerei zutraue, noch heute!, und die Geschichte zeigt, daß es je nach Opportunität zu Recht gemacht wird per Gesetz, was noch gestern Unrecht war. Nur, mit aller Entschiedenheit von Mord zu reden, das wage ich nicht. Keiner war dabei, und Irmgard schweigt. Die Forderung nach Veröffentlichung der bis jetzt geheimgehaltenen Krisenstabsprotokolle sollte jegliche Unterstützung erhalten, allerdings ohne das Credo der Mordthese. Ilse Schwipper, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen