Bunte Rentnerbeine

Auf dem Internationalen Tattoo-Festival in Altona gibt's nicht nur Werke alter Meister auf allen möglichen Körperteilen zu sehen  ■ Von Heike Dierbach

Ron Ackers sieht aus wie ein ganz gewöhnlicher Rentner. Weiße Haare mit Seitenscheitel, grüne Windjacke, weißes Hemd. Doch wenn der 67jährige Engländer sein Hosenbein aufkrempelt, würde so manchem Gleichaltrigen der Atem stocken: Ackers Bein leuchtet schillernd blau, grün und rot – „wie sich das für einen Tattoo-Künstler gehört“, betont der Profi aus Portsmouth.

Die übrigen Aussteller auf dem 3. Internationalen Tattoo-Festival in der Altonaer Gasstraße entsprechen zwar eher dem Klischee, das man als Unbemalte von dem Gewerbe hat: Bullige Männer in schwarzen Lederjacken mit ganz kurzen oder ganz langen Haaren und Drachen auf allen möglichen Körperteilen. Doch die Stimmung zwischen den schwarz verkleideten Ständen erinnert eher an eine Briefmarkenmesse. Viele der 140 TätowiererInnen aus 12 Ländern kommen vor allem wegen der „Party“, betont Organisator Peter Kleindorf. Man ist unter sich.

Die Modewelle für Tattoos, die seit einem Jahr stark abflaut, bewerten die Profis ohnehin kritisch. „Man sollte sich das Motiv, das man haben möchte, ein, zwei Jahre an die Wand hängen“, empfiehlt Kleindorf Neulingen, „wenn man es dann noch leiden mag, kann man es machen.“ Unüberlegte werden notfalls auch wieder weggeschickt – und bedanken sich später nicht selten für das „Nicht-Tätowieren“.

Theo Vetter hatte diese Bedenken nicht – er begeisterte sich schon als Junge auf St. Pauli fürs Tätowieren und guckte im Laden um die Ecke dem Meister über die Schulter. Auf dem Festival präsentiert „Tattoo-Theo“ ein kleines Museum mit Werken alter Meister und auf Anfrage auch sich selbst. Neben Farbe zieren seinen Bauch 69 Ringe und Perlen in Form eines Ankers. Für den Fotografen hängt Theo noch den Festtagsschmuck dran: Die Milchzähne von den Enkeln – die inzwischen auch schon tätowiert sind. Nicht zu vergessen die diversen Ringe durch den Penis, die Theo stolz zeigt und versichert: „Das paßt noch.“

Beim „Wer-hat-das-schönste-Tattoo“-Wettbewerb will der 66jährige diesmal nicht mitmachen, „um auch anderen einmal eine Chance zu geben“. Zur „Unterhaltung“ der zu 80 Prozent männlichen Gäste bietet die Bühne auch zweimal täglich eine Frauen-Strip-Show. „Stört mich nicht“, schüttelt Irene Fraenkl-Rietti, die einzige weibliche Ausstellerin, den kahlgeschorenen, tätowierten Kopf. Die Body-Artistin aus Manchester hat eine klassische Kunst-Ausbildung. Ebenso wie Bernd „Bernado“ Wissler aus dem hessischen Schwarmstedt: Der Bildhauer hat früher Kirchenaltäre gestaltet. „Beim Tätowieren“, schwärmt er, „kann ich alle diese Erfahrungen einbringen.“

Das Festival läuft noch bis Sonntag, täglich von 13 bis 1 Uhr, und kostet 25 Mark pro Tag.