: Die Unternehmenstester
■ Buchtips: Zwei Branchen werden ausgiebig untersucht
Test einmal anders: Nicht die Produkte werden untersucht, sondern deren Hersteller. In Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen hat das hannoversche Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft (imug) in akribischer Kleinarbeit Unternehmensdaten abgefragt, gesammelt und ausgewertet. Hintergrund dieser Idee: „Sag den Leuten, wie verantwortlich sich Unternehmen verhalten, und sie werden dies dann beim täglichen Einkauf berücksichtigen.“ Sind die Konsumenten konsequent, werden sich die Unternehmen stärker um die Interessen ihrer Kunden kümmern müssen – und um ihre eigenen.
Das erste Buch dieser Reihe erschien bereits 1995 und nimmt die Lebensmittelbranche unter die Lupe. Eröffnet wird mit einer Abhandlung über Konsum und bewußten Einkauf: Um Verantwortung – auch Macht – wahrzunehmen, zählt nicht allein der Geldbeutel, sondern zudem die Einstellung, mit der Kunden konsumieren.
Die Herausgeber des Buches gehen der Frage nach, in welchen Bereichen die Nahrungs- und Genußmittelindustrie Verantwortung übernehmen muß. Anschließend gibt es Steckbriefe von 75 Unternehmen. Skizziert wird ihre Entstehung und Geschichte, dann werden sie hinsichtlich ihrer Informationspolitik, der Berücksichtigung von Verbraucherinteressen sowie derer von Arbeitnehmern und Behinderten bewertet und kommentiert. Auch die Frauenförderung sowie das Umweltengagement sind Aspekte der Untersuchung. Darüber hinaus wird gefragt, wie es die Betriebe und Konzerne beispielsweise mit Spenden und Sponsoring halten, welche Rolle Gentechnik, Tierversuche oder Massentierhaltung spielen. Anders als bei Warentests bekommt der Leser indes keine Empfehlung („gutes Unternehmen – böses Unternehmen“), sondern erfährt, wie sich die Firmen verhalten – sofern sie überhaupt bereit waren, Auskunft zu geben. Immerhin waren seinerzeit 250 Betriebe aufgefordert, an der Untersuchung teilzunehmen. Sämtliche Daten sind ein halbes Jahrzehnt alt, eine Neuauflage in Arbeit. Mit einer Veröffentlichung wird laut imug im Frühjahr 1999 gerechnet.
Auch der zweite Band der Unternehmenstester setzt nicht auf Verzicht, erhobenen Zeigefinger oder Abwertung, sondern auf „qualitativen Konsum“ – ein Begriff, der von den Verbraucherverbänden schon vor mehr als 15 Jahren aus der Taufe gehoben wurde: Der Verbraucher solle nicht nur auf den Preis und die Qualität achten, sondern auch auf die Auswirkungen seines Konsums für die Umwelt sowie auf die Umstände der Güterherstellung. In dieser Veröffentlichung wurden 50 Unternehmen der Kosmetik-, Körperpflege- und Waschmittelbranche untersucht. Im Unterschied zum ersten Werk werden hierbei allerdings auch einzelne Marken den befragten Unternehmen zugeordnet, so daß jeder anhand der Tabelle unter seinem Lieblingsprodukt nachlesen kann, wie der Produzent mit den Fragen der Zeit umgeht. Auffallend: Viele Unternehmen scheinen sich vor der Öffentlichkeit zu fürchten. Die Aussage verweigerten Chanel, Hakle, Kneipp-Werke, Lavera, Marbert und viele mehr. Andere wiederum hielten sich so bedeckt, daß der Informationswert nahe null tendiert, beispielsweise Benckiser (Marken: Joop, Davidoff, Jil Sander und andere). Der amerikanische Multi Johnson & Johnson (Marken unter anderen: Carefree, o.b., fenjal, Penaten, Piz buin) verweigerte nicht nur jegliche Auskunft: „Statt dessen wurde für den Fall der Veröffentlichung falscher Daten mit rechtlichen Schritten gedroht.“ Wie klein doch mancher Weltkonzern dastehen kann, wenn er dicke Backen macht. Kleine und Kleinstbetriebe hingegen nahmen das Angebot, ihre Vorzüge zu präsentieren, gern auf, so die Drogerienkette Spinnrad, außerdem die Firmen Alma Win, Sonett, Dr. Stewner, aber auch große wie beispielsweise Lever, Procter & Gamble, Colgate-Palmolive sowie Henkel.
Fazit: Zwei gute Bücher mit hohem Informationswert für den, der wissen will, von wem er kauft. Bleibt zu hoffen, daß auch andere Branchen diese Reihe alsbald ergänzen. Denn verkaufen wollen sie schließlich alle – schlimmstenfalls den, der's nicht merken will, für dumm. Andreas Lohse
„Der Unternehmenstester. Die Lebensmittelbranche“. rororo aktuell Nr. 13515, 415 S., Reinbek 1995, 15 DM. Eine Aktualisierung ist für Frühjahr 1999 vorgesehen.
„Kosmetik, Körperpflege, Waschmittel“. rororo aktuell Nr. 22258, 280 S., Reinbek 1997, 14,80 Mark
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