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Britische Konservative suchen ihre Identität

■ Auf dem gestern beendeten Jahresparteitag dominiert die Einsicht in die eigene Schwäche

Berlin (taz) – Es ist schwer zu sagen, aus welcher Ecke der britischen Labour-Regierung politische Gefahr heute droht. Die Konservativen, eigentlich die wichtigste Oppositionspartei, machten auf ihrem gestern beendeten Jahresparteitag im südenglischen Seebad Bournemouth jedenfalls nicht den Eindruck, als wären sie eine schlagkräftige Oppositionskraft auf dem Weg zurück zur Macht.

Parteichef William Hague versuchte zwar, die nach der schwersten Wahlniederlage in diesem Jahrhundert schwer angeschlagene Tory-Truppe aufzumuntern. In seiner Grundsatzrede am Donnerstag behauptete er, die Konservativen hätten den ersten von vier „Schritten zum Sieg“ bereits hinter sich – Gewinne bei den Kommunalwahlen im vergangenen Mai. Im nächsten Mai würde die Partei noch mehr Kommunalwahlen gewinnen; dann würden die Wahlen zu den Regionalparlamenten in Schottland und Wales und zuletzt die Europawahlen folgen, die im Juni 1999 stattfinden. „Großbritannien braucht die Konservative Partei heute mehr denn je“, meinte Hague.

Dem widersprechen aber sämtliche Umfragen, die die Tories anderthalb Jahre nach ihrem Machtverlust immer noch konstant weit unter 30 Prozent der Wählerpräferenzen sehen. Eigentlich wissen die Konservativen auch, wie hoffnungslos ihre Lage ist. Der neue Geschäftsführer der Partei, Michael Ancram, sagte gestern zum Abschluß des Parteitages, man stünde „am Fuß eines sehr hohen Berges“.

Hague hatte sich am Donnerstag nach Kräften bemüht, eine neue Identität für seine Partei zu finden. Er setzte Premierminister Blairs „Drittem Weg“ einen „Britischen Weg“ entgegen – ein Weg, der „kleinere Regierung und größere Bürger“ bedeute. Aber in der Praxis des Parteitages bestand Hagues Weg hauptsächlich darin, dem rechten Flügel der Tories nachzugeben. Langfristig wichtiger als der medienwirksame Streit zu Europa, der wie jedes Jahr auch diesmal die Tories zerriß, war hierbei ein sich immer stärker zu Wort meldender englischer Nationalismus, der mit der Rückbesinnung auf eine eigene politische Identität Englands auf die Förderung von Schottland und Wales durch die Labour-Regierung antworten will.

Splittergruppen fordern neuerdings ein „englisches Parlament“, und in seiner Rede deutete Hague an, er könnte sich vorstellen, mit dieser Forderung in die nächsten britischen Parlamentswahlen zu ziehen. „Wir werden keine ,Englische Nationalpartei‘ werden“, sagte Hague. „Wir sind eine Partei des Vereinigten Königreiches. Aber wir werden dafür einstehen, daß die englischen Wähler fair vertreten sind.“

Zum ersten Mal hat damit der Führer einer gesamtbritischen Partei dem Umstand Rechnung getragen, daß das britische Parteiengefüge vor einer grundlegenden Umwälzung steht. Mit der Gewährung größerer Autonomie an Schottland und Wales schafft die Labour- Regierung einen Pluralismus an Institutionen und Legitimationen im britischen Staatswesen, der den bisherigen Zentralismus in London ablöst. Das bisherige Parteiensystem Großbritanniens, das auf den Zusammenprall von Regierung und Opposition im Parlament von Westminster zugeschnitten ist, wird sich der neuen Vielfalt an politischen Diskussionsforen anpassen müssen.

Durchaus denkbar ist, daß die Konservativen sich nun mit der Rolle des Hauptgegners von Labour in England begnügen, während in Schottland und Wales die jeweiligen Nationalisten die Oppositionsrolle wahrnehmen. Damit wächst aber die Gefahr, daß das britische Parteienspektrum in eine Reihe sich bekriegender Heimatverbände zerfällt. Dies könnte langfristig die größte Gefahr für die von Labour angestrebte Modernisierung Großbritanniens darstellen. Dominic Johnson

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