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„Altmodisches Modell eines Eintrittsgeldes“

■ Bürgermeister Voscherau will Auto-Maut für Hamburgs Innenstadt prüfen

Stadtchef Henning Voscherau will in Hamburg ein elektronisches Gebührensystem für Autofahrer und LKWs einführen. Dies erklärte der Bürgermeister jetzt nach seinem Besuch in Oslo. Während das von Bergen und Fjord umgebene Oslo mit 19 Mautstellen den gesamten Verkehr kontrollieren kann, käme für Hamburg allerdings wohl nur eine Einfahrtsgebühr am Wallring (City-Maut) in Frage. Im Frühjahr will Voscherau mit ersten Sondierungen beginnen.

Die norwegische Metropole hat seit Februar 1990 auf allen Einfallstraßen Mautstellen errichtet, die nur gegen Zahlung einer Gebühr passiert werden können. Barzahlung ist zwar noch möglich – die Mehrzahl der FahrerInnen läßt sich aber elektronisch überprüfen: In 0,4 Sekunden tastet ein Kontrollsystem bei der Durchfahrt eine elektronische Berechtigungskarte ab. Ist die nicht vorhanden oder abgelaufen, schießt eine automatische Kamera ein Nummernschildfoto – anschließend wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet.

Das Osloer System hat sich vor allem als ergiebige Geldquelle für Straßenausbau und Nahverkehrsinvestitionen bewährt. Verkehrspolitisch brachte es dagegen fast nichts: Seit 1990 nahm die Zahl der täglichen Stadt-Fahrten von 210.000 auf 280.000 kräftig zu. Verlagerungen auf Fahrgemeinschaften, Öffentlichen Nahverkehr oder Fahrrad gab es nicht in nennenswertem Umfang. Deshalb will Oslo jetzt „nachsteuern“ durch Straßenrückbau und Busbevorrechtigung.

GAL-Verkehrsexperte Martin Schmidt hält dagegen nichts von „dem altmodischen Modell eines Eintrittsgeldes.“ Schon im November 1994 hat die GAL statt dessen den Senat per Antrag aufgefordert, die Einführung moderner „elektronisch erhebbarer Abgaben für die Kraftfahrzeugnutzung“ (Road Pricing) zu prüfen und sich an der Auswertung entsprechender Modellversuche zu beteiligen.

Modernes Road Pricing ist dem starren Osloer Mautsystem in Sachen Technik und Verkehrsoptimierung weit überlegen: Per Satellit oder durch ein Netz kleiner Funkgeräte im Verkehrsraum läßt sich von den Autofahrern eine nach Verkehrsaufkommen, Tageszeit und Straße differenzierte Gebühr erheben. In Stuttgart und Köln laufen bereits Modellversuche. Der GAL-Antrag schmort jedoch seit einem Jahr im Verkehrsausschuß.

Martin Schmidt: „Die SPD zeigt sich bisher nicht interessiert. Die Baubehörde hat sich, wie üblich, überhaupt nicht gerührt.“ Schmidt fürchtet, die verkehrspolitische Schlafmützigkeit von Senat, SPD und Baubehörde könne dazu führen, daß Hamburg mal wieder eine Chance für zukunftsweisende Verkehrsgestaltung verpaßt.

Bei der CDU stößt Voscheraus Idee dagegen auf Empörung. Barbara Ahrons, Chefin der Hamburger CDU-Mittelstandsvereinigung, schimpft über „moderne Wegelagerei“, die „in erheblicher Weise die Existenz vor allem kleiner und mittlerer Einzelhändler“ gefährdet. Sollte es in Hamburg zu einer ernsthaften Debatte über Straßenbenutzungsgebühren für Autos kommen, ist ein Proteststurm von Teilen der Wirtschaft zu erwarten.

Deren Befürchtung, Autogebühren ließen Städte wirtschaftlich veröden, scheint jedoch gänzlich unbegründet: Die altmodischen Mautsysteme in Oslo und Bergen haben nicht negative, sondern positive Wirkungen auf die Attraktivität dieser Städte gehabt. Und selbst die Autofahrer scheinen sich in ihr Schicksal zu fügen: Beim Stuttgarter Road-Pricing-Feldversuch ließen sich die 400 beteiligten Autofahrer nicht vom Besuch der City abschrecken. Florian Marten

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