: Gläserne BürgerInnen durch die Credit-Card
■ Hamburger Datenschutzbeauftragter warnt vor „elektronischen Geldbörsen“
„Wie ein Tagebuch“, plauderte Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader Familiäres aus, „seien die Kontoauszüge“ seines in Kanada urlaubenden Sohnes. Der Grund: Sohnemann zahlte meist per Kredit-Karte, der Vater war wenige Tage später über Reiseroute und Ausgaben seines Sprößlings bestens informiert. Papa Schrader: „Auch ohne Urlaubs-Postkarten war ich stets auf dem Laufenden.“ Per Credit-Card zum gläsernen Bürger.
Die Kreditinstitute drängen mit Macht auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Schon heute lassen sich HVV-Fahrscheine und Taxi-Fahrten größtenteils bargeldlos bezahlen. In Zukunft soll auch das Frühstücksbrötchen und die taz am Kiosk mit der Karte bezahlt werden. Zu diesem Zweck wollen die Banken und Sparkassen ab Ende 1996 die heutigen EC-Karten durch Chip-Karten mit größerer Speicherkapazität ersetzen.
Doch die Tendenz, alles auf eine Karte zu setzen, birgt für Schrader „Datenschutzrisiken neuer Qualität“. Die entstehenden „elektronischen Spuren“ ließen sich unschwer zu „Bewegungsprofilen“ des Karteninhabers verdichten. Solche Daten, die erst nach sechs Jahren gelöscht würden, könnten laut Schrader „auf das Interesse von Polizei und Staatsanwaltschaft, von Finanzämtern und Arbeitgebern stoßen“. Auch das Konsumverhalten des Einzelnen ließe sich detailliert vom Kontoauszug ablesen – interessante Daten für Werbe- und Marketingunternehmen. Schrader: „Der datenfreie Raum, in dem sich der Bürger unbeobachtet verhalten und bewegen kann, wird immer kleiner“.
Um das zu verhindern, fordert der Hamburger Datenschützer gemeinsam mit seinen Kollegen der anderen Bundesländer die Kreditwirtschaft auf, zumindest wahlweise zur Chip-Card auch bis zu 400 Mark aufladbare „Guthabenkarten“ anzubieten: nach dem Modell der Telefonkarte, deren Gebrauch keine Rückschlüsse auf die Identität des Karteninhabers zuläßt. Verbieten allerdings will Schrader die spurenreiche Chip-Card nicht: „Wir sind keine Maschinenstürmer“.
Das stellt der Hamburger Datenschutzbeauftragte jetzt vorbildlich unter Beweis. Beklagte Schrader noch vor kurzem die „Gefahren für den Datenschutz“ im Internet („eine vertrauliche Kommunikation ist nicht gewährleistet“), wird seine Behörde ab sofort selbst „dem weltweit größten Datennetz Informationen über den Datenschutz zur Verfügung“ stellen. Die Highlights des Hamburger Datenschutzbeauftragten – ob Tätigkeitsbericht oder Presseerklärung – können nun unter „http://www. rewi.hu-berlin.de/ Datenschutz/DSB/hmbDSB/“ abgerufen werden. Die Datenschutzprobleme des Internet wolle man aber trotzdem „weiterhin kritisch verfolgen“, versprach Schrader. Marco Carini
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