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Mit dem Paten zur Lehrstelle

Ein Berliner Modellprojekt versucht Jugendliche mit schlechten Startchancen durch die Unterstützung erfahrener MeisterInnen aus dem Handwerk auf dem umkämpften Ausbildungsmarkt unterzubringen  ■ Von Anja Dilk

Marianne Stoike ist eine resolute Frau. Wer sie reden hört, merkt, daß er es mit jemandem zu tun hat, der weiß, was er will, und an dem die Probleme der anderen nicht einfach vorbeigehen. Zum Beispiel die Probleme der Jugendlichen. Jugendliche aus dem Ostberliner Stadtteil Marzahn oder Hellersdorf, aus schwierigen, oft kinderreichen Familien. Junge Leute, die mit schlechten Startchancen und manchmal einer Menge Wut im Bauch von der Schule auf den Ausbildungsmarkt drängen und dort nicht selten scheitern. „Ich komme selbst aus einem schlechten Elternhaus und habe mich da hochgerappelt“, sagt die Frisörmeisterin, „viele dieser jungen Menschen haben auch ein Potential, schaffen es aber nicht aus eigener Kraft. Es reizt mich, dieses Potential wachzukitzeln.“ Als Patin.

Marianne Stoike nimmt teil an einem Projekt, das die Berufsberatung der Berliner Arbeitsämter gemeinsam mit der Handwerkskammer Berlin vor drei Monaten ausgetüftelt hat: „Ehrenamtliche Paten für Ausbildungsplatzbewerber gesucht“. Das Ziel: Altgediente Meister und Gesellen, die im Berufsleben nicht mehr von morgens bis abends eingespannt sind, sollen schwer vermittelbare Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützen. 100 Mark pro Monat bekommt ein Pate für jeden betreuten Jugendlichen. Übersteht der Schützling nach Antritt eines Ausbildungsplatzes die Probezeit, gibt es für den Paten noch mal einen Hunderter – eine Aufwandsentschädigung.

So recht ist das Modell noch nicht in Schwung gekommen. Bislang haben sich erst sechs Paten gefunden. Kein Wunder, denn der ehrenhafte Job ist recht aufwendig. Bereits sechs bis neun Monate vor Beginn der Ausbildung soll die Betreuung beginnen. Der Pate führt Gespräche mit den Jugendlichen, berät sie bei der Bewerbung, macht ihnen nach erfolglosen Bewerbungen Mut, es noch mal zu versuchen, gibt Tips, wie man sich am besten vorstellt, und geht schon mal mit dem Bewerber an der Hand in den Betrieb.

„Für uns ist das ein Versuch, entgegen dem Subventionsstrom, wo alles nur nach dem Geld fragt, durch Engagement der älteren Generation schwierigere Jugendliche mit den Betrieben zusammenzuführen“, sagt Jürgen Thiel, von der Berufsberatung beim Arbeitsamt Berlin-Mitte. „Vermittlungsprobleme im sozialen Bereich abfedern“, nennt Thiel seine Strategie. Denn es geht nicht in erster Linie um Jugendliche, die wegen schlechter Leistungen durch den Rost des Ausbildungsmarktes zu fallen drohen, sondern um jene, die verhaltensauffällig oder unmotiviert sind, im Elternhaus keinen Rückhalt haben oder sich nicht zu verkaufen verstehen. Wenn dem Handwerksmeister von altem Schrot und Korn beim Anblick des Lehrlings die Kinnlade runterfällt, weil dieser Ringe im Gesicht hat oder einen deftigen Ton anschlägt, ist die Stunde des Paten gekommen.

Marianne Stoike ist da gewappnet. So etwas erlebt sie selbst immer wieder. Kürzlich zum Beispiel kam ein junges Mädchen mit knappem Pulli und gepierctem Bauchnabel zum Vorstellungsgespräch in ihren Salon. „Das kann ja wunderhübsch sein, aber bei einem Vorstellungsgespräch ist es schlicht unpassend“, findet Stoike. „Die meisten Arbeitgeber sind einfach zu konservativ, sei es auch nur, weil man so nicht in den Salon paßt und die Kunden abschreckt.“ Die 55jährige Ostberlinerin weiß, was ihre Kollegen umtreibt. Aber sie weiß auch, daß sie mit oberlehrerhaften Vorträgen und Ausfragerei bei den Kids nicht landen kann. Locker rangehen, ohne sich anzubiedern – nur so lassen sich Blockaden aufbrechen, läßt sich etwas tun gegen die Null-Bock-Stimmung, davon ist Stoike überzeugt. Die Frisörmeisterin, die einen Salon in Friedrichshain betreibt, fühlt sich vorbereitet: Ein Praktikum in einem Jugendheim, ein abgebrochenes Lehramtsstudium, nicht zuletzt ihre eigenen Erfahrungen haben sie fit gemacht macht für ihre Aufgabe.

Die Initiatoren des Projekt sind überzeugt, daß das Patenschaftsmodell ein richtiger Weg ist. Thiel: „Wenn ein gestandener Meister als Pate einen Betrieb gezielt anspricht und sagt, hier hab' ich jemanden mit kleinen Strickfehlern, aber mit Fähigkeiten, sind die Ausbilder in der Regel viel eher bereit, darauf einzugehen, als wenn sie sich aus einem Berg von Bewerbungen anonym die Leute heraussuchen müssen. Viele Betriebe fühlen sich ohnehin überfordert mit der Auswahl von Lehrlingen.“ Ein Nebeneffekt: Durch ihre beruflichen Kontakte könnten die Paten schon mal Lehrlinge bei Kollegen unterbringen.

Dabei endet die Patenschaft keineswegs mit dem Antritt des Ausbildungsplatzes. Bis zum Ablauf der Probezeit halten die Paten dem Azubi die Stange, sollen bei Differenzen mit dem Chef oder Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zur Seite stehen. Devise: Wenn der Berufseinstieg sicherer wird, gibt es weniger Abbrecher, mehr Lehrstellen bleiben erhalten.

Ob das Patenschaftsmodell funktionieren kann und auch von den Jugendlichen gut angenommen wird, wird sich Ende des Jahres erweisen, wenn die ersten Paten in die Betreuung einsteigen. Eine flächendeckend taugliche Strategie, um schwer vermittelbare Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen, ist das Patenschaftsmodell sicher nicht. Mehr als Einzelfälle werden sich damit nicht auffangen lassen. Aber es bleibt eine interessante Initiative, die Schule machen könnten, wenn sich genug Profis finden, die bereit sind, sich zu engagieren. Denn Paten werden händeringend gesucht.

Kontakt: Tobias Dreher, Arbeitsamt Berlin-Mitte, Tel.: 030/5555-2200

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