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Das Geheimnis liegt im Qualifikationsmix

■ Geradlinigkeit ist nicht mehr die höchste Arbeitnehmertugend. Unternehmen wünschen sich zunehmend Mitarbeiter mit ganz eigenwilligen Profilen und verschiedenen Qualifikationen

Es soll Manager geben, die ihre Mitarbeiter einstellen wie sie Maschinen einkaufen: Nach einem ökonomisch glasklaren Anforderungsprofil wird ausgesucht, wer möglichst flexibel einsetzbar, gut funktionierend und wartungsfrei ist. Eine Erwartungshaltung, die Jim Broume, Personalmanager bei Siemens, für zutiefst provinziell und naiv hält: „Es gibt kein klar zu formulierendes Kompetenzprofil. Mit dieser Art von Schubladendenken disqualifizieren sich moderne Personalmanager.“

Die Zeiten, in denen sich die Anforderungsprofile von ArbeitnehmerInnen in eine Check-list formaler Qualifikationen und Abschlüsse pressen ließen, sind vorbei. Natürlich gibt es noch einen gewissen Kanon von Erwartungen bei Arbeitgebern wie etwa fachliche und soziale Kompetenz, die Fähigkeit zur interkulturellen und zur Teamarbeit. Aber letztendlich, so Broume, gelte es eher, „Profile“ zu entwickeln, die den Anforderungen des Unternehmens auf persönliche Art und Weise gerecht werden. Wer bloß einer Profilschablone entspricht ist out. Ähnlich sieht das Irene Dorn vom Bundesverband der Arbeitgeber: „Die Praxis sieht viel bunter aus, als es die theorethisch streng formulierten Anforderungen der Unternehmen vermuten lassen.“ Gerade moderne Dienstleistungsunternehmen legen sich nicht auf AbsolventInnen mit einem geradlinigen Jura- oder BWL-Studium fest, sondern schöpfen aus dem Vollen. Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen sind gefragt, zunehmend auch StudienabbrecherInnen.

Das Geheimnis liegt im Qualifikationsmix: Wer eine Lehre gemacht, dann nach der Pleite des ersten eigenen Unternehmens einige Semester Ethnologie studiert hat, weiß eben ein bißchen mehr vom Leben als der Musterschüler. Eine „authentische Persönlichkeit“ mit eigenem Stil soll es sein, gerade im Vorstellungsgespräch zählt der Typ. Doch Unternehmer und Arbeitsämter sind sich einig: Um dahin zu gelangen, gilt es möglichst viele Praktika zu machen und Kontakte zu knüpfen, denn ohne die läuft meist gar nichts. Martin Reichert

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