: Wechsel '98
Die am Wochenende von SPD und Bündnisgrünen abschließend festgeklopften Inhalte des Koalitionsvertrages tragen nach Auffassung von Union, FDP und Wirtschaftsverbänden nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bei. Besonders die Vereinbarungen zur Steuerreform gerieten gestern ins Visier. Der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Dieter Murmann, erklärte in Bonn, die Beschlüsse würden zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Sie seien ein neuer Versuch, die Belastbarkeit der Wirtschaft zu testen. Ein Bündnis für Arbeit werde auf der Basis wirtschaftsfeindlicher Steuerpolitik keinen Erfolg haben. Die Mittelstandsvereinigung der Union sprach von einer „Steuerreform, die dem Mittelstand durch einen Berg zusätzlicher Belastungen den Hals zuschnürt“. AP
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FDP-Chef Wolfgang Gerhardt zeigte sich im Mitteldeutschen Rundfunk überrascht, „daß SPD und Grüne so wenig Mut haben und keinen großen Wurf zustande bringen“. Bis zum Jahr 2000 sehe das Steuerreformkonzept von Rot-Grün für die Bürger Mehrbelastungen in energieintensiven Bereichen vor, ohne daß im Gegenzug Lohnnebenkosten gesenkt würden. AP
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Der Bundesverband Deutscher Banken sagte voraus, das Konzept werde ausländische Investoren von einem Engagement in Deutschland abhalten. Eine wirkungsvolle Steuerreform hätte darauf setzen müssen, dynamische Kräfte in der Wirtschaft zu entfachen, sagte Hauptgeschäftsführer Manfred Weber im Deutschlandradio Berlin. AP
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Auch die Rücknahme der von der alten Regierung beschlossenen Rentenniveausenkung auf 64 Prozent fand keinen ungeteilten Anklang. Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, sagte im Saarländischen Rundfunk, es sei damit zu rechnen, daß die Anpassungsrate bei der bis Ende 2000 geplanten Rentenreform wieder gekürzt werde. Der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, Jürgen Husmann, bezifferte im Hessischen Rundfunk die aus der Aufhebung des Rentengesetzes für 1999 resultierenden Mehrkosten auf insgesamt 4,3 Milliarden Mark in den kommenden zwei Jahren. AP
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Der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND nannte die ökologischen Koalitionsbeschlüsse einen Pakt der Halbherzigen. Der Vertrag beende zwar die ökologische Eiszeit vergangener Jahrzehnte, von einer eindeutigen sozial-ökologischen Wende könne jedoch nicht die Rede sein. Der Naturschutzbund Nabu sprach von einer „Chance, den Stillstand im Umweltschutz zu überwinden“. Es sei angesichts der „Kleinmütigkeit der SPD in Sachen Mineralölsteuer-Erhöhung“ aber ungewiß, ob daraus ein ökologischer Neuanfang werde. AP
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