: VfLsche Versuchsreihe: Schneiden und Schaukeln
■ Gladbachs Trainer Rausch kultiviert ausgeklügelte Messertaktik. Mission erfüllt: 1:2
Bochum (taz) – Pädagogik ist eine schöne Sache, vor allem wenn man sie mit Schwung und Hingabe betreibt. Friedel Rausch, bei Borussia Mönchengladbach beschäftigt, ist so ein vollschwingender Pädagoge. Als Fußballehrer kann ihm seit Stalingrad niemand mehr etwas vormachen, daran läßt er keinen Zweifel. „Einigen muß man das Messer an den Hals setzen, damit sie gute Leistungen bringen“, sagte der 58jährige also nach dem Spiel seiner Mannschaft in Bochum. Davor hatte er bereits bilanziert, daß sie eine „kämpferisch und spielerisch sehr gute Leistung“ gezeigt hätte. Also: Messer raus – Mission erfüllt! Ein kleiner Schönheitsfehler war nur die 1:2-Niederlage beim VfL Bochum und die Übernahme des letzten Platzes in der Bundesligatabelle.
Irgendwie scheint auch darüber hinaus mit dem Messer was falschgelaufen zu sein. So verkündete Karl-Heinz („Kalla“) Pflipsen nach dem Spiel, daß er sich nun wohl einen neuen Arbeitgeber suchen würde. „Wenn der Präsident sagt, du kannst gehen, dann werde ich mich umhören.“ Im Rahmen des rauschhaften Messerwetzens waren am Donnerstag einige Spieler zum Vereinsvorsitzenden Jacobs zitiert worden, um dort, wie Pflipsen verspätet offenbarte, wohl eine Art Halbkündigung zu bekommen. Manager Rolf Rüßmann wollte zwar „Personalgespräche nicht in der Öffentlichkeit kommentieren“, gestand das seinen Angestellten aber zu, „das muß der Spieler selber erzählen.“ Was Pflipsen nun eben tat: „Wenn der Verein sagt, du kannst gehen, soll ich dann sagen: bitte tut's nicht? Ein bißchen Stolz habe ich auch noch.“ Froh war der gedachte Spielmacher der Borussen zumindest darüber, „heute einen guten Tag“ gehabt zu haben, „sonst kommen noch Gerüchte auf, man macht extra was falsch“. Wer jetzt immer noch nicht versteht, worum es sich in dieser Angelegenheit eigentlich dreht, darf auch von Rüßmann keine wirkliche Klärung erhoffen. Seine Bemerkung, „richtig ist, daß wir Leistungen einfordern müssen“, legt den Schluß nahe, daß die Aufforderung zum Vereinswechsel oder zumindest der Hinweis auf dessen Möglichkeit, eine Art von niederrheinischem Motivationstrick gegenüber dem vermeintlich lustlosen Spieler war. Auf daß dieser also, weil er verkauft werden soll, sich nun ganz toll anstrengt, damit er am Ende doch nicht verkauft werden muß.
Oder war alles noch ganz anders gemeint? Wo ein Klub doch sowieso keinem Spieler kündigt, weil er dann die Option auf eine Ablösesumme verschenkt. War die unglückliche Niederlage in Bochum trotzdem ein Beleg dafür, daß die dufte Idee aufgegangen war? Messer gezeigt, das aber gar nicht schneiden kann und trotzdem wirkt? Immerhin konnte Rüßmann bilanzieren: „Wir waren heute mit der Mannschaft sehr zufrieden.“ Auch feierten mehrere Hundertschaften Gladbacher Fans noch eine dreiviertel Stunde nach Abpfiff im sonst leeren Ruhrstadion ihre Lieblinge, die dann noch einmal brav angelaufen kamen und zurückklatschten.
Hurra also, denn gleich morgen schon wird die Versuchsanordnung fortgesetzt und das unter fast idealen Bedingungen. Praktischerweise spielen dann beide Mannschaften gleich noch einmal gegeneinander – im DFB-Pokal. Allerdings hat Friedel Rausch seine Messertaktik bereits zur Seite gelegt und versucht es nun mit Schaukeln: „Ich hoffe, daß wir am Dienstag endlich mal das Spiel auf unserer Seite schaukeln werden.“ Christoph Biermann
Bor. M'gladbach: Enke – Andersson – Witeczek, Asanin – Paßlack, Deisler, Kallala Pflipsen, Wynhoff (76. Hagner), Schneider – Polster, Pettersson (64. Ketelaer)
Zuschauer:26.430. Tore: 0:1 Pflipsen (11.), 1:1 Reis (15.), 2:1 Schindzielorz (46.)
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