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Wo bleiben tatsächliche Reformen? –betr.: „Schluß mit der Frau als ewigem Opfer“, taz vom 28. 10. 98

Schade, daß Rot-Grün nicht den Mut hat zu tatsächlichen Reformen, um Frauen und Männern endlich real gleiche Chancen zu gewähren. Tatsächliche Reformen, die erst mal weh tun, aber faktische Veränderungen vor allem auch in den Köpfen der Frauen und Männer einleiten können: zum Beispiel Abschaffung des Erziehungsgeldes, dafür Investition in die Kindertagesstätten mit Ganztagsbetreuung spätestens ab dem ersten Lebensjahr der Kinder. Will heute eine Frau einen anspruchsvollen Beruf oder gar Karriere machen, dann bleibt ihr in Deutschland de facto nur die Entscheidung zwischen Kind oder Beruf. In welchem Beruf mit Karriereaussichten kann jemand heute für drei Jahre verschwinden, um Kinder zu erziehen, sich selbst zu finden oder sonst was zu erleben? [...] Nur wenn Frauen ihre Kinder gut betreut in Kinderkrippen, Kindergärten oder Ganztagsschulen untergebracht wissen, werden sie auch beruflich aktiv bleiben. Momentan sind aber Kindertagesstätten für Kinder unter drei Jahren äußerst rar und Kindergärten schließen meist um zwölf Uhr. [...]

Zweites Beispiel: Gleichstellung von NEL (= nicht-eheliche Lebensgemeinschaft) mit der Ehe. Wo soll diese Gleichstellung enden? Wollen wir zurück zum Verlobtenrecht? [...] Warum nicht auch weiterhin davon ausgehen, daß erwachsene Menschen normalerweise ihr Liebesleben alleine regeln können? Wenn sie des Schutzes der Ehe bedürfen, können sie ja weiterhin heiraten. Statt dessen könnte man die Rechte der Kinder gegenüber ihren Eltern ausbauen. Wie wäre es denn mit einem pragmatischen Recht auf Zuwendung? Es würde den Kindern im Verlauf von Scheidungs- oder (nach NEL) Trennungsverfahren viel Ärger ersparen, wenn der Elternteil, der sich nicht regelmäßig drei Stunden die Woche um sein Kind kümmert, sein Sorgerecht verwirkt hat. [...] Barbara Roth, München

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