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Farbmeditation des Kinomalers

■ Er pflegt ein altes Handwerk: Lumpi malt Filmplakate

Wußten Sie, daß ein fast schon ausgestorbenes Handwerk in Bremen gepflegt wird? Es ist das Plakatemaler-Handwerk, das es in Deutschland sonst nur noch in Berlin und München gibt. Mit dem „Europa“ und der „Schauburg“ leisten sich zwei Bremer Kinos den Luxus dieser gemalten Reklame. Auch „Porgy & Bess“ glotzten im Sommer eher häßlich gemalt von der Fassade des Theaters am Goetheplatz.

Der Kinomaler Lumpi, der seinen bürgerlichen Namen nobel verschweigt, gibt zu, daß ihm nicht alle Plakate gelungen sind: „George Clooney kannte ich zum Beispiel gar nicht, als ich das Plakat zu ,Out Of Sight' gemalt habe. So ist das Bild ihm nun wirklich nicht sehr ähnlich geworden. Oder Matt Damon ist mir bei ,Good Will Hunting' zu alt geraten. Aber ich habe nun mal meist nur ein Foto und das ist oft nicht das Glücklichste.“ Die Arbeitsmethode ist ebenso simpel wie effektiv: Das Dia eines Filmposters wird auf die grundierte Leinwand projiziert. Und dann wird Detail für Detail, Buchstabe für Buchstabe abgemalt.

Lumpi ist einer von zwei Malern, die in Bremen regelmäßig Filmplakate kopieren. Seltsamerweise ist er alles andere als ein Kinogänger. Er hat längst nicht alle Filme gesehen, sondern geht die Sache eher als bildender Künstler an. Er hatte im letzten Jahr eine Ausstellung mit seinen eigenen Bildern im Bremer Kulturzentrum Lagerhaus und in anderen Städten, hat freie Kunst studiert und offensichtlich keinerlei Schwierigkeiten damit, daß bei dieser Arbeit kreative Inspiration nichts zu suchen hat. Allerdings hat er, seit er diese Arbeit macht, kein eigenes Bild mehr gemalt.

Bei dem Plakat von „Der Soldat James Ryan“ mußte er zum Beispiel eine große Fläche schlicht schwarz anmalen: „Ich habe zu meiner eigenen Überraschung, gemerkt, daß ich statt der Rolle für solche Flächen immer den kleinsten Pinsel nehme. Damit kann man dann jeweils auf verschiedene Weisen die Flächen füllen; für mich ist das die reinste Farbmeditation.“ Auch wenn ihn die Filme zu den Plakaten meist nicht sonderlich interessieren, macht Lumpi sich beim Malen einen eigenen Reim auf die Motive: „Manchmal entwickelt sich unwillkürlich ein Gefühl dafür, was die Figuren auf dem Bild miteinander zu tun haben. Auf vielen Plakaten sind ja Pärchen, und wenn die beide sympathisch aussehen, spinnt man sich eine Geschichte zusammen. Der Titel spielt dabei natürlich auch eine große Rolle.“

Auch wenn er nur alle paar Wochen den Auftrag für ein Bild bekommt, er also bestimmt nicht von dieser Arbeit leben kann, bezeichnet Lumpi dies als seinen „Traumjob“: „Es ist einfach schön, daß es solche Plakate gibt, die handgemalt sind, über Nacht entstehen, nach einer Zeit immer wieder verschwinden, und daß meine Sachen halt umsonst in Bremen herumhängen.“ Er signiert seine Werke auch, obwohl sie „Gebrauchsgrafik“ sind, er bei der Auswahl der Motive oder auch nur den Farben nur sehr wenig Mitbestimmungsrecht hat und die Bilder dem Kino und dem Filmverleih gehören. Die alten Motive werden auf den 2 mal 1,50 Meter großen Leinwänden jeweils einfach übermalt. Aber Lumpi hätte keine Künstlerseele, wenn er seinen so überpinselten Werken nicht ein wenig nachtrauern würde. Man könne sie ja verkaufen, wenn sie nicht mehr aktuell sind, ist seine Idee. Aber Leinwand und Holzrahmen kosten allein jeweils mehr als 100 Mark. Es würde also teuer. Ob diese Unikate von den Sammlern von Film-Souvenirs anerkannt würden, ist eine andere Frage. Wilfried Hippen

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