: Im Weltraum des Scratchings
■ Die Musik von Bran Van 3000 entsteht nicht nur am Computer. Im Übungskeller wird für Live-Auftritte ganz klassisch trainiert
Die großen musikalischen Mutterschiffe sind akut vom Aussterben bedroht, nachdem sich komplette Universen bequem am Computer hochrechnen lassen. Die moderne Popproduktionseinheit zählt heutzutage selten mehr als zwei Köpfe und einen Haufen Knöpfe.
Doch da tauchen Bran Van 3000 auf und erforschen die unendlichen Weiten und unbekannten Welten mit vollständiger Besatzung. Je nach Datum, Uhrzeit und mathematischen Fähigkeiten des Journalisten besteht das Projekt aus „fast zehn“ bis zu „mehr als zwanzig“ Mitgliedern. So viel ist immerhin klar: Initiator, Chef und Kristallisationspunkt ist James „Bran Man“ DiSalvio, der seine Brötchen früher vornehmlich als Videoclip-Regisseur verdiente.
Als DJ in den Clubs seiner Heimatstadt Montreal machte sich DiSalvio einen Namen als Schraubstock des Tanzbodens und brachte zusammen, was vielleicht besser für immer getrennt geblieben wäre, zum Beispiel „New York Dolls und Hank Williams über Drum 'n' Bass“. Weil er bei Videodrehs seine Klappe nicht halten konnte („Das hört sich doch Scheiße an.“ – „Dann mach doch selbst!“, ungefähr so jedenfalls), wurde er auch noch zum gefragten Remixer. Die Entscheidung, nun doch endlich auch noch Musiker zu werden, war dann wohl nur noch zwangsläufig.
Ein Heimstudio war schnell gekauft, und sämtliche Bekannten wurden verpflichtet, die ein Instrument richtig rum halten oder geradeaus singen konnten. Das Debüt- Album „Glee“, das ihnen zu Hause in Kanada bereits Platin einbrachte, entstand zwar vor allem noch am Computer als Patchwork-Werk unter Leitung des Egomanen DiSalvio, aber längst schon hat sich Bran Van 3000 verselbständigt. Und zwar: Ganz klassisch trainiert die Band für Live- Auftritte im Übungsraum. Ihre MusikerInnen kommen aus allen denkbaren Zusammenhängen, ob HipHop, Folk, Funk, Soul, Hardcore oder Metal.
Daß im Video zur ebenso wunderschönen wie zynischen Single „Drinking in L.A.“ die Instrumente zu Kleinholz geschlagen werden, ist dann nicht als Abgesang, sondern eher als Reminiszenz an die 70er zu verstehen.
Live gibt DiSalvio längst schon den George Clinton, drängt sich musikalisch nicht in den Vordergrund, sondern macht den Zeremonienmeister, dessen größtes Talent es ist, die richtigen Menschen um sich zu scharen, daß etwas entstehen möge, das dann größer ist als die Summe seiner Einzelteile. Diese Fähigkeit mag DiSalvio erworben haben bei seiner Arbeit als Regisseur, sie befähigt ihn auf jeden Fall dazu, erfolgreich den Cpt. Kirk seines Mutterschiffs zu spielen. Wenn Rumfliegen im Weltraum nur halb so aufregend ist wie Bran Van 3000, ist es kein Wunder, daß John Glenn nicht davon lassen kann. Thomas Winkler
5. November um 21 Uhr im Glashaus der Arena, Eichenstraße 4, Treptow
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