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Ein „unpolitischer“ Kandidat

Bei den israelischen Kommunalwahlen tritt in Jerusalem erstmals eine arabische Liste an. Dies galt bisher unter der Mehrheit der Palästinenser als eine Anerkennung der Annexion der Stadt durch Israel  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Einfach wird es den Jerusalemern nicht gemacht bei den heutigen israelischen Kommunalwahlen. Sieben Kandidaten bewerben sich um den Bürgermeisterposten, der direkt gewählt wird. Favorit ist Amtsinhaber Ehud Olmert von der Likud-Partei. 25 Listen konkurrieren um die 31 Sitze im Stadtrat.

Erstmals ist auch eine arabische Liste unter Führung von Moussa Alian angetreten, einem Palästinenser aus dem Westjerusalemer Vorort Beit Safafa. Ausdrücklich wirbt er auch um die Stimmen der Ostjerusalemer und verspricht ihnen Verbesserungen in der Infrastruktur der Stadt und eine Reduzierung der immensen Steuern. Drei oder vier Stadträte hofft Alian zu gewinnen.

Eine, allerdings wenig repräsentative, Umfrage unter den palästinensischen Wählern Ost-Jerusalems, die im September durchgeführt wurde, brachte zum Vorschein, daß bislang nur 12,5 Prozent der Ostjerusalemer an den Kommunalwahlen teilgenommen haben. Die überwiegende Mehrheit teilt die Meinung der politisch Verantwortlichen wie Feisal Husseini, dem palästinensischen Minister für Jerusalem, oder dem Jerusalemer Abgeordneten Hatem Abdul Kader, daß eine Teilnahme an den Kommunalwahlen einer Anerkennung der Annexion der Stadt durch Israel im Jahre 1967 gleichkäme.

Gut 70 Prozent der Palästinenser sind laut dieser Umfrage der Meinung, daß eine Teilnahme an den Wahlen nicht mit dem palästinensischen Anspruch auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines eigenen Staates zu vereinbaren sei. Nur 20 Prozent der Befragten äußerten die Meinung, daß die Palästinenser zwischen den allgemeinpolitischen und den lokalen Fragen einen Unterschied machen sollten. Immerhin 37 Prozent waren sogar der Meinung, daß die Autonomiebehörde die Teilnahme an den Wahlen ausdrücklich verbieten sollte.

Mousa Alian, der palästinensische Kandidat, tat deshalb alles, um seine Liste als „nicht politisch“ darzustellen. Sein Ansinnen gehe allein dahin, die Infrastruktur für die Palästinenser in der Stadt zu verbessern, erklärte er in einem Interview. Zudem sagte er, er habe in Gesprächen vor seiner Kandidatur die Zustimmung der palästinensischen Autonomiebehörde sowie führender palästinensischer Vertreter in Ost-Jerusalem eingeholt.

Eine Änderung im Status Jerusalems sieht Alian nicht als sein Ziel an. Ost-Jerusalem gehöre den Palästinensern, der Westen den Israelis, sagt er diplomatisch. Und Jerusalem müsse die Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden, räumt er ein. Ohne eine solche Erklärung würde er vermutlich nicht einmal von Palästinensern in West-Jerusalem gewählt werden. Graffiti an den Wänden des Ostjerusalemer Vorortes Beit Hanina denunzieren den Kandidaten dennoch als „israelischen Spion“. Selbst auf israelischer Seite machte er sich Feinde. Die linke Meretz-Partei suchte um eine Intervention der PLO gegen seine Kandidatur nach, weil sie fürchtet, die arabischen Stimmen, die ihr bislang zugute gekommen waren, zu verlieren.

Doch Friktionen gibt es in allen Parteien, und das quer über die Parteigrenzen hinweg. Ein Tel der Arbeitspartei unterstützt auf Anraten ihres ehemaligen Chefs Schimon Peres die Kandidatur des Likud-Kandidaten Olmert. Dafür erhielten diese Kandidaten aussichtsreiche Listenplätze. Der andere Teil der Arbeitspartei, der unter Meir Shetrit und dem Motto „Ein Jerusalem“ antritt, fand dagegen die öffentliche Unterstützung des früheren Bürgermeisters von Jerusalem, Teddy Kollek. Der Kandidat der Meretz-Partei, Ornan Yekutieli, der im Stadtrat eine prominente Rolle gespielt hat, wurde von seiner Partei nicht nominiert und kandidiert auf einer eigenen Liste. Russische Einwandererparteien, die im Prinzip Olmert favorisieren, treten überdies auf eigenen Listen an in der Hoffnung, einen stellvertretenden Bürgermeisterposten zu erhalten.

Doch entscheidenderen Einfluß werden die Haredim, die ultraorthodoxen Juden, ausüben. Sie verfügen in Jerusalem über eine beträchtliche Anhängerschaft und stellen mit Haim Miller einen stellvertretenden Bürgermeister und engen Gefolgsmann von Olmert. Ihren Wünschen in bezug auf Finanzen und Siedlungsbau hat Olmert in den fünf Jahren seiner bisherigen Amtszeit immer wieder nachgegeben. Damit hat er sich gleichzeitig als „rechter Gegenkandidat“ des Likud zu Ministerpräsident Netanjahu profiliert. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß Olmert bei nationalen Neuwahlen ein Eisen im Feuer hat.

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