: Massive Kritik -betr.: "Drogen, Freunde, Helfer", taz vom 12.10.1995
Betr.: „Drogen, Freunde, Helfer“, 12.10.95
Das Hamburger Abendblatt z. B. berichtet am 12.10. von der Pressekonferenz des „Aktionsbündnisses St. Georg“ der Hamburger Drogenhilfeträger: „Das Aktionsbündnis St. Georg verurteilt den massiven Polizeieinsatz gegen die Drogenszene.“ In der taz hingegen steht am 12.10. merkwürdigerweise in der Überschrift: „Aktionsbündnis St. Georg zeigt Verständnis für Polizeirepression“. Es ist schlechter Journalismus, wenn einzelne Äußerungen eines Vertreters der Drogenhilfe Eimsbüttel, die dieser nicht für das Aktionsbündnis St. Georg abgegeben hat, so dargestellt werden, als wäre dies die Position des Aktionsbündnisses. Die gemeinsame Plattform des Aktionsbündnisses waren die beiden zwischen allen Trägern abgestimmten schriftlichen Presseerklärungen, die Unterstützung des „St. Georger Appels 1995“ sowie die Durchführung der Aktionswochen. Die Kritik an der repressiven Polizeistrategie ist in den gemeinsamen Veröffentlichungen zentral enthalten. So heißt es in der Presseerklärung zu Beginn der Aktionswochen u. a., daß sich die Hamburger Drogenarbeit beteiligen wolle „für die Veränderung der aufgezeigten Mißstände der Stadtentwicklungspolitik, gegen repressive Maßnahmen als kontraproduktive Strategie, in Parteilichkeit für Drogenabhängige ..., die Forderung nach Ausstiegs-, Stabilisierungs- und Überlebenshilfen“.
Im übrigen wurde den Äußerungen des Vertreters der Drogenhilfe Eimsbüttel u. a. die Position von Jugendhilfe e. V. (Träger u. a. von Drob Inn, Stay Alive, Viva, Projekt Jork) entgegengesetzt. Der Vertreter von Jugendhilfe e. V. forderte u. a. die unverzügliche Einstellung der konzeptionslosen Vertreibungsjagden, der Platzverbote und haltlosen Festnahmen, von denen vor allem langjährig drogenabhängige Personen (die vom Senat in anderen Zusammenhängen gerne als „Kranke“ bezeichnet werden) betroffen sind. Er kritisierte massiv die hier an einer besonders stigmatisierten und kriminalisierten Personengruppe massenhaft praktizierte Verletzung des Grundrechts auf Freizügigkeit. Das hätte dann auch wiedergegeben werden können, um die Kontroversität darzustellen.
Im übrigen erfolgten die Ak-tionswochen unter keiner „Federführung der konservativen Hilfeeinrichtungen“. Es gab überhaupt keine Federführung, vielmehr gab es eine gemeinsame gleichberechtigte Aktion der beteiligten Einrichtungen. Wenn in der taz Trägervereine wie z. B. Jugend hilft Jugend e. V., Frauenperspektiven e. V. oder Jugendhilfe e. V., die seit z. T. Jahrzehnten sich für die konsequente Entkriminalisierung von Drogenabhängigen, für die strikte Abgrenzung von Beratung/Therapie/Betreuung gegenüber Justiz und Strafvollstreckung sowie für den Ausbau des Hilfssystems eintreten, als „konservativ“ bezeichnet werden, dann ist die repressive Senatspolitik echt progressiv, wenn nicht gar revolutionär.
Günter Thiel, Jugendhilfe e. V.
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