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Lüste und Schrecken

■ Morgen im Alabama-Kino zu Gast: die New Yorker Undergroundfilmerin MM Serra

„Mich interessiert jede Form von Subversion dessen, was in dieser Gesellschaft als normal angesehen wird,“ erklärt MM Serra, Filmemacherin und Chefin der New Yorker Filmmaker's Coop im Interview. „Bizarre Mörder ebenso wie phantasievolle Sex-Rituale und pornographische Filme. Wobei ich damit nicht die Filme der Sex-Industrie meine, sondern radikale filmische Umsetzungen persönlicher sexueller Vorstellungen und Praktiken. Insbesondere, wenn es sich dabei um Filme handelt, in denen Frauen ihrer Sexualität Ausdruck verleihen.“ Mit einem dreistündigen Programm erotisch/pornographischer Kurzfilme amerikanischer Avantgarde- und Underground-Filmerinnen unter dem Titel Coming to Power ist MM Serra momentan auf Tour durch die deutschen Off-Kinos und morgen abend im Alabama-Kino auf Kampnagel zu Gast.

Zum einen bietet Serras Programm einen historischen Überblick über weibliches pornographisches Filmschaffen von den frühen Tage des New Yorker Undergrounds bis zu gegenwärtigen Produktionen. Zum zweiten präsentiert es die thematische und ästhetische Vielfalt des Genres. Von zärtlicher Lesbenerotik wie in Chick Strands Fever Dream reicht die Palette über Peggy Ahweshs todesfaszinierter Georges-Bataille-Verfilmung The Dead Man bis hin zu MM Serras eigener Dokumentation der Lüste und Schrecken der Hard-core-S/M-Szene, L'amour fou. Einer Szene, über die Serra sagt: „In unserem patriarchalischem System ist Frauen automatisch die Rolle der Unterworfenen zugedacht. Im Kontext von S/M können Frauen jedoch je nach Wunsch die Macht ausüben oder sich freiwillig unterwerfen – aus einer Position bewußter Wahl.“ Eine Wahl, die durchaus die extreme Qual als Quelle des Vergnügens in Betracht zieht.

So vielfältig der Sex in den Filmen, so vielfältig sind auch die Formen seiner ästhetischen Darstellung. Die reicht vom Experimentalfilm wie Carolee Schneemans 1965er Avantgarde-Klassiker Fuses über Fiction und Dokumentarfilm bis zum Trickfilm Downs are Feminine von Louis Klahr. Ober eben bis zu Peggy Ahweshs Color of Love: eigentlich ein Amateur-Vampirporno, der Jahre in einer Garage lag und da von Bakterien zernagt worden war. Was dem Film gut tat. Er alterte wie Wein. Die Bakterien verschafften dem nekrophilen Geschehen auf den Bildern endlich die farbenfrohe Dekadenz, an deren optischem Einfangen die ursprünglichen anonymen Filmer kläglich gescheitert waren. Johannes Schönherr

Morgen, 18. 10., um 20.15 Uhr wird MM Serra im Alabama anwesend sein, Vorstellung: Monika Treut.

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