: Aufbruch nach Hause
■ HSV auch mit Uwe Seeler nur 2:2 gegen München 1860 Von Clemens Gerlach
Selbst Henning Voscherau war gekommen. Direkt neben Uwe Seeler saß der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg auf einem der Ehrenplätze und schaute sich die Bundesligapartie des HSV gegen München 1860 an. Normalerweise hat der passionierte Hockeyspieler dafür keine Zeit. Zu beschäftigt, zu viel unterwegs, aber wenn es das erste Mal unter Uns Uwe als Präsidenten um Punkte geht, macht der Stadtobere schon mal eine Ausnahme. Also am Samstag nachmittag raus nach Stellingen, so wie es Voscherau höchstselbst via Bild-„Zeitung“ den Hamburgern geraten hatte: „Wer Uwe und der Mannschaft helfen will, trifft sich im Stadion.“
Eingedenk der Besucherzahl von nicht einmal 26.000 Zuschauern scheint es mit der Hilfsbereitschaft der Hamburger nicht allzu weit her zu sein. Soviele Fans kommen in Dortmund oder auf Schalke alleine schon, wenn der Zeugwart seine neue Ballpumpe erstmalig ausprobiert oder neue Tore aufgestellt werden. Der designierte Vize-Präsident Volker Lange wollte jedoch nichts von einem Fehlstart des „neuen HSV“ (Morgenpost) wissen. „Die Hamburger sind bereit, den Verein zu unterstützen“, log sich der ehemalige Innensenator in die eigene Tasche, „der Besuch war ein gutes Zeichen.“
Minuziös war der Einzug des Uwe S. ins Volksparkstadion vorbereitet worden. Schon Tage vorher hatten die Hamburger Boulevardblätter eine publizistische Breitseite nach der nächsten abgefeuert. Bild hatte dabei – wie so oft in der vergangenen Zeit – das letzte Wort und das Kellerduell zum „Uwe-Spiel“ hochstilisiert. Doch zum Triumphzug wurde der müde Kick eben nicht, auch wenn zu Beginn einige „Uwe, Uwe“-Rufe durch die Arena gehallt waren. Das Volk ließ sich sogar zu einer Majestätsbeleidigung hinreißen, als etliche Zuschauer – wie bei jedem gewöhnlichen Heimspiel auch – schon zehn Minuten vor Schluß nach Hause gingen. Ein Aufbruch gewiß, aber nicht der von der Seeler-Crew erhoffte. Daniel Borimirow hatte die Enttäuschten mit seinem kurz zuvor erzielten Ausgleichstor zum Abmarsch gedrängt, Uns Uwe sie nicht halten können.
Der wollte nach dem 2:2 „keine Vorwürfe“ aussprechen und hatte statt dessen eine „Gemeinschaft“ gesehen, die „gewisse Spielzüge“ gezeigt habe. Summa summarum: „Die Mannschaft hat gewollt.“ Dabei unterliefen dem „im höchsten Maße verunsicherten Team“ (Lange) viele Fehler, was der neue Chefcoach Felix Magath „erstaunlich“ fand. Eigentlich meinte der 42jährige „enttäuschend“, doch das mochte sich der Mann im dunklen Anzug nicht vor aller Öffentlichkeit eingestehen. Er sei „nicht verärgert“, obwohl eine 2:0-Führung durch Ex-Kapitän Jürgen Hartmann und dessen Nachfolger Jörg Albertz nicht ausreichte, um den ersten Saisonsieg zu schaffen.
Warum sollte sich Magath („Ich bin nicht nervös“) auch noch selber seine letzten Wochen als hauptverantwortlicher Übungsleiter versauen? Rückhalt beim Präsidium hat er keinen: „Felix ist nur eine Übergangslösung“, hat Seeler von Anfang an klargestellt. Lange sieht das nicht anders, auch wenn der unternehmensberatende Sozialdemokrat dafür eintritt, dem ehemaligen HSV-Profi „die Chance zu geben, das Training weiter zu leiten“. Doch Magath hat keine, weil er keine haben soll. Er wird der Buhmann sein, wenn es weiter nicht laufen sollte. Sobald sich ein erfahrener Coach bereiterklärt, muß er gehen. Kein Wunder, daß Voscherau so selten kommt: Intrigante Ränkespiele hat er im Beruf schon genug, zumindest in seiner Freizeit will er deshalb von unappetitlichen Mauscheleien verschont bleiben.
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