: Why Rosie Lugosi loves Beck's
■ Poetry in the Bar: Von einer Dichterlesung in Manchester mit Bremen-Bezug berichet aus England Silvia Plahl
A little poem for Andrew Heard
You don't often see a goat on a
London bus
and if you did there'd be lot of fuss
Sie trägt Schwarz, Lack und ist stadtbekannt als Manchesters „Lesbian Vampire Poet“. Sie singt einen rauchigen Mezzosopran. Sie rezitiert Aphorismen über Sex, PMS (international version) und blutrünstige Busfahrer, die ihr Seelenheil erst in der Übernahme der roten Central line der London Underground finden. Rosie Lugosi trinkt außerdem Beck's. Dies muß hier erwähnt sein. Erstens, damit gleich an dieser Stelle der Bremen-Bezug hergestellt ist (erinnert sei an die „Einführung in den Lokaljournalismus“, taz bremen im letzten Sommer). Zweitens aber auch, weil die kleine, schlanke, smaragdgrüne Flasche im Land der dickbauchigen Pints auch dieses Jahr wieder ermöglicht, was kein Boddie's oder Tetley's bisher schaffte: Beck's bringt Rosie Lugosi aufs Podest, und wimpernklimpernd eröffnet sie das 5. Manchester Poetry Festival. Unsere kleine Landbrauerei respektive Beck's U.K. sponsert die „untrendy“ Dichtkunst in trendy city Manchester, jedoch im trendiest Teil des ganzen Festivals: Poetry in the Bar.
Leider ist es so gut wie unvermeidlich, den Bericht über diesen Event mit Anglizismen zu versehen bzw. die Originalversion zu verwenden. Let's get Mancunian – manchesterisch klingt eh nach nichts.
Mancunian Rosie Lugosi ist jedoch nicht die einzige, die an diesem Abend Beck's trinkt. Max Seymour tut es ihr gleich, Carol Batton und Fiona Bowker ebenso. Die vier sind angetreten zur early evening session as „a great way to wind down after work or an entertainment start to a night out“. Beat-poet Max Seymour hält im schwarzen Rolli und mit Ziegenbart (goattee) sein Ringbuch unters Mikro, Carol Bettton betont hüpfend im pastellenen Trainingsanzug „I didn't come out gay, I came out mad“. Fioana Bowker eilt der Ruf voraus, „the unrivalled club diva and chronicler of the post acid generation“ zu sein. Davor und danach verdient sie ihrem Pelzjäckchen-Turnschuh-Outfit zufolge wohl ihr Geld als Sozialarbeiterin. Jedenfalls zeigt sie in ihrem Werk ein Gespür für weiblichen Verdruß, für Libido und Placebo, Hypothek und die Kids – „Gogo Dancer“ so der Titel ihrer Reime.
Alle vier reimen. Sie richten ihren Blick auf Sonnencremes second hand und Joghurt auf dem Gasschaltkasten, zurück in die Kindheit und auf die Wohltätigkeitsläden, die sich als unerschöpfliche Quelle für romantische Überschriften erweisen (so Max). Max hat auch die Episode mit seiner alten Klavierlehrerin Ms Blayne künstlerisch aufgearbeitet, die während des Unterrichts eine Decke übergeworfen hatte und ihm einen Pulli zu Weihnachten schenkte.
Dankbar lachen und klatschen die Leute, dreißig etwa, die Poetry-Bar ist klein genug, um voll zu sein. Man taucht durch eine Glastür von einer lauten thriving Oxford Street in Manchester City, die sich gerade auf das tägliche Nachtleben vorbereitet, in die freundliche Cornerhouse Bar ein. Ein bißchen alternativ vielleicht. Im ersten Stock ein helles, großes Café, darüber in bunten Gallerieräumen die exzellent beleuchtete Peter-Greenaway-Ausstellung. Cornerhouse hieße in Bremen „Kulturzentrum“.
Jedenfalls geben die sich hier darstellenden DichterInnen an, sie seien „nervous for some reasons“, als sie ihre Notitzbücher nach außen kehren. Carol überbrückt dies mit den gesungenen Bemerkungen, der Festival-Chef hätte ihr eingeschärft: „Don't mention your manic depression“ und „God is disabled“. Und schließlich – obwohl unter den ZuhörerInnen eigentlich niemand Beck's trinkt – erreicht dieser Vorabend dann auch einen Höhepunkt, und zwar mit Rosie Lugosis Arie Premenstrual tension (in Auszügen):
I feel like hell, death and destruction
my breasts feel like waterfilled balloons
I eat 54 bars of chocolate
I kill the next
who asks me: are you o.k.?
I'm bloody not o.k.
I love you all!!
Manchesters Poetry Festival (workshops, jazz, market) – eine der vielen Anstrengungen der Stadt, im Trendwettbewerb mit der big sister London mitzuhalten – endete am 15. November. Ein Sonntag nachmittag, wiederum mit Poetry in the Bar, „the perfect way to spend a chilled out afternoon and a great way to ease away the hangover after a weekend in the city“.
Danach wird Mick Hucknall von Simply Red die Weihnachtsbeleuchtung anschalten, nachdem er sich erst jüngst geweigert hat, in Manchesters neuem Mega-Giga-Einkaufszentrum das einzige Selfridge-Kaufhaus außerhalb Londons zu eröffnen. Der Mancunian Weihnachts-Einkaufs-Krieg hat also bereits begonnen.
Die jungen arbeitslosen City Ranger haben ihre Arbeit aufgenommen. Die Stadtverwaltung räumt den Müll von ausgemachten „grotspots“. Aber das sind Nebensachen.
Am heutigen Dienstag startet eine neue TV-Serie auf Channel 4: „The young person's guide to becoming a rock star.“ Sponsored by Beck's.
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