: Der Fall des Heinrich Fink
Die Karriere des 63 Jahre alten Heinrich Fink lief gut – bis zum November 1991. In der DDR hatte der Theologieprofessor führende Posten in der evangelischen Kirche und an der Humboldt-Universität in Ostberlin inne, in der Wendezeit wurde er dort Rektor. Dann aber kam der jähe Sturz: Fink sei seit 1969 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) „Heiner“ der DDR-Staatssicherheit geführt worden, gab die Gauck-Behörde an. Beweise dafür, daß Fink aktiv gespitzelt hatte, konnte die Behörde zunächst nicht vorlegen. Stasi-Offiziere hätten im Dezember 1989 fünf Aktenordner vernichtet, hieß es. Trotzdem wurde Fink durch den Berliner Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) fristlos entlassen.
Finks Anwälte behaupteten, daß ihr Mandant bloß aktenmäßig als IM geführt worden sei, schließlich habe der Kirchenvertreter wegen seiner zahlreichen Reisen ins westliche Ausland als „unsicher“ gegolten. Fest steht jedoch: Durch Kritik am DDR-System war Fink nicht aufgefallen. Angesichts des Credos „Kirche im Sozialismus“ positionierte er sich als systemtreuer Integrationstheologe: Wie kann man als Christ aktiv am sozialistischen Aufbau der DDR mitwirken, fragte er. Auch als die DDR bereits wankte, blieb Fink auf Linie: Noch im Sommer 1989 würdigte er das „demokratische Wahlsystem der DDR“. Am 8. Oktober 1989 kam dann Finks „Damaskus“, wie er es nennt. Bei einer Demonstration für Reformen geriet Fink in eine Prügelei mit Volkspolizisten. In einer Kommission untersuchte er später zusammen mit Bürgerrechtlern die Übergriffe.
Seine Verdienste bei der Aufklärung des Polizeieinsatzes konnten den Stasi-Verdacht aber nicht abwehren. Im Dezember 1992 sah das Landgericht Berlin Finks IM-Tätigkeit als erwiesen an: Er habe mit der Stasi telefoniert, Geld und eine Verdienstmedaille erhalten. Vergebens zog Fink bis vor das Bundesverfassungsgericht. Eine Klage liegt jetzt noch bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte. Nach der Bundestagswahl war das Glück auf Finks Seite: Aufgrund eines Auszählungsfehlers kam er doch noch als Parteiloser für die PDS in den Bundestag. Für ihn mußte ein FDP-Abgeordneter weichen. Kerstin Willers
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