Wieder Korrespondent ausgewiesen

Chinesische Behörden weisen „Spiegel“-Korrespondenten aus. Die deutschen Journalisten haben in Peking keinen guten Stand — das gereicht ihnen zur Ehre  ■ Aus Peking Georg Blume

Auf sein Urteil mußte der deutsche Journalist nicht lange warten. Binnen 48 Stunden habe er das Land zu verlassen und innerhalb von fünf Jahren nicht wiederzukommen, verfügten die chinesischen Sicherheitsbehörden gestern gegen den früheren Pekinger Spiegel-Korrespondenten Jürgen Kremb. Am Tag zuvor hatten acht Beamte der chinesischen Staatssicherheit das Pekinger Spiegel- Büro durchsucht und Kremb mehere Stunden lang verhört, der direkt zuvor nach längerer Abwesenheit nach Peking zurückgekehrt war. Ihm wurde der Besitz „illegaler Dokumente, die die Sicherheit Chinas gefährden“, vorgeworfen. Der Spiegel-Mann und frühere taz-Mitarbeiter wies die Vorwürfe als unbegründet zurück.

Unklar ist, warum die Behörden ausgerechnet dann so massiv gegen den Korrespondenten vorgingen, als dieser dem Land schon fast vollständig den Rücken gekehrt hatte. Denn Kremb arbeitet bereits seit Juli in Singapur und war jetzt nur für einen Besuch nach Peking zurückgekehrt.

An der bislang eher vorsichtigen Reaktion aus Bonn dürfte sich nun zeigen, wie wichtig die Peking- Korrespondenten für die deutsch- chinesischen Beziehungen wirklich sind. Vor zwei Jahren, als die Pekinger Behörden dem Korrespondenten der Frankfurter Rundschau sein Visum nicht verlängerten, ging nicht nur ein Aufschrei durch die deutsche Presse.

Der Fall Henrik Bork reihte sich damals in eine Kette deutsch- chinesischer Zusammenstöße ein: vom vorzeitigen Abbruch der Deutschland-Visite des damaligen chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng bis zur Verabschiedung einer chinakritischen Tibet-Resolution im Bundestag. Doch heute gelten die Beziehungen zwischen Peking und Bonn als von den Leiden dieser Zeit bereinigt.

Der Fall Kremb droht unterzugehen. Zwar äußerte in Bonn Staatssekretär Wolfgang Ischinger noch am Dienstag sein „Befremden“ über das chinesische Vorgehen gegen den deutschen Journalisten. Auch der Auswärtige Ausschuß des Bundestages verurteilte gestern die Maßnahmen gegen den Korrespondenten und sagte, sie seien geeignet, „die beiderseitigen Beziehungen nachhaltig zu beeinträchtigen“. Doch nun will Bonn erst einmal prüfen, um welche angeblich illegalen Dokumente der Streit gehe. Das wird schwierig.

Auffällig ist, daß mit Kremb nun schon der dritte deutsche Journalist seit der Ausweisung von Spiegel-Korrespondent Tiziano Terzani im März 1984 den Zorn der Pekinger Behörden erregte. Kein anderes Land hat in China soviel Ärger mit seiner Presse – ein kaum zu widerlegender Nachweis für die Güte der China-Berichterstattung deutscher Medien. Gerade deshalb aber ist Bonn gefragt: Der Besitz von Dokumenten ganz gleich welcher Art ist schließlich kein Verbrechen: Je geheimer sie sind, desto besser arbeitet der Journalist.

Nach einem Korrespondenten der japanischen Tageszeitung Yomiuri ist Kremb dieses Jahr bereits der zweite ausländische Journalist, der aus China ausgewiesen wird. Beide Fälle lassen jedoch nur begrenzt Rückschluß auf die allgemeine Situation der Auslandskorrespondenten in China zu. Ihre Freiheit hat in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Zwar haben sich die Gesetze, denen zufolge jede Reise offiziell genehmigt werden muß, nicht geändert, doch werden sie großzügig angewandt. Immer mehr Beamte, Wissenschaftler, Unternehmer und Künstler äußern sich frei gegenüber der ausländischen Presse.

Doch dann gibt es die Ausnahmen: Yomiuri gelang ein Interview mit dem unter Hausarrest stehenden Ex-KP-Generalsekretär Zhao Ziyang. Kremb bezahlt heute für seine offene Unterstützung der chinesischen Dissidentenszene. „Ich hoffe, daß die Demokratisierung Chinas keine fünf Jahre mehr benötigt, damit ich schneller zurückkehren kann“, sagte der Journalist gestern.