Analyse: Streit um Billigjobs
■ Die künftige Besteuerung der 620-Mark-Jobs ist noch unklar
Bei der Neuregelung der 620/520-Mark-Jobs ist in der SPD das Chaos ausgebrochen. Es gibt zwei unterschiedliche Gesetzentwürfe. Heute soll eine Lösung gefunden sein. Hauptknackpunkt ist derzeit die von Bundeskanzler Gerhard Schröder angekündigte Abschaffung der Pauschalsteuer im Zuge der Reform der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. Finanzminister Oskar Lafontaine ist bislang dagegen, weil dem Staat dadurch Einnahmen in Höhe von 2,7 Milliarden Mark entgingen.
Die Steuereinnahmen werden aber zur Gegenfinanzierung gebraucht für die Rücknahme von Sozialkürzungen der alten Bundesregierung. Der Fraktionschef der SPD, Peter Struck, hat dessenungeachtet gestern gesagt, daß der Wegfall der Pauschalsteuer unstrittig sei.
Bisher können Arbeitgeber für das Einkommen der Arbeitnehmer pauschal 20 Prozent Steuern abführen. Dies ist insofern günstig, als der Eingangssteuersatz für eine individuelle Besteuerung bei 25,9 Prozent liegt. Fällt die Pauschalbesteuerung weg, dann muß das Einkommen individuell besteuert werden, also je nach der Höhe des Gesamteinkommens des Arbeitnehmers. Das würde rein rechnerisch zwar zu höheren Einnahmen führen, in der Praxis aber nicht.
Bisher nämlich übernehmen Arbeitgeber oftmals die pauschale Steuerzahlung auch für Beschäftigte, die ein Einkommen unter dem Existenzminimum haben und bei einer individuellen Besteuerung gar keine Steuern zahlen müßten. Viele Billigjobber legen bei Arbeitsbeginn nämlich gar keine Steuerkarte vor. Künftig würde für diese Kleinverdiener dann weder Pauschalsteuer noch individuelle Einkommensteuer fällig. Dem Finanzminister fehlte Geld.
Wieviel, das ist ungewiß. Der neue parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Wilhelm Schmidt, kritisierte gestern, „das hätte man auch schon früher prüfen können“. Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) monierte, durch den Wegfall der Pauschalbesteuerung werde das Steuersystem noch komplizierter. Zudem führe die Senkung der Versicherungspflichtgrenze auf 300 Mark dazu, daß Steuerbeamte in jedem Fall kontrollieren müßten, ob jemand noch unter oder schon über dieser Grenze liegt.
Dabei ist nicht einmal gewiß, ob die Einkommensgrenze der etwa 5,6 Millionen 620/520-Mark-Jobber wirklich bei 300 Mark liegen soll. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulla Schmidt befürwortet 200 Mark. Umstritten ist ebenfalls, ob einzelne Beschäftigungsgruppen von der Senkung der sozialversicherungsfreien 620-Mark-Grenze ausgenommen werden sollen, wie etwa die Zeitungszusteller. Markus Franz
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