: Nepper, Schlepper, Eurodealer
Verbraucherzentralen warnen vor dubiosen Anlageberatern, die um das Geld Euro-skeptischer Anleger werben. Auch seriöse Banken werben irreführend ■ Aus Berlin Hannes Koch
Die Zeitungsanzeige verspricht, die LeserInnen von ihrer Angst zu erlösen, ihr hart erarbeitetes Geld zu verlieren. „Anlage in Immobilien, bevor der Euro kommt“, heißt es in dem in einer Tageszeitung geschalteten Inserat. Besonders „Rentner“ umwirbt die Firma Cardinal-Capital mit der sonnigen Aussicht auf „zweistellige Renditen“ durch den Bau „Ihres Traumhauses“ an der spanischen Costa del Sol.
Interessierte haben in diesem Fall wohl Glück. Denn die Telefonnummer wurde falsch abgedruckt. Am spanischen Anschluß meldet sich nur eine dänische Reihenhausbesitzerin, die mit einem Bauprojekt nichts zu tun haben will. Trotzdem stellen sich Euro- Experten Peter Lischke die Nackenhaare auf, entdeckt er wieder ein solches Inserat. „Da werden oft Schrottimmobilien feilgeboten“, empört sich der Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Berlin.
Natürlich kennt Lischke die Geisterstädte an der Mittelmeerküste zwischen Valencia und Gibraltar, die zum Teil acht Monate im Jahr leerstehen und allmählich verfallen. Eine Investition auf dem „grauen Kapitalmarkt“ könne statt zu hohen Renditen schnell zu einem Verlust von Zehntausenden von Mark führen, da manche Häuser kaum zu vermieten seien.
Anzeigen wie die der Cardinal- Capital nehmen zu. Oft locken sie mit Schlagzeilen wie „Sicherheit vor dem Euro!“. Sie kommen als Kleinanzeigen oder erkennbar dubiose Angebote, aber auch als seriöse Werbung in renommierten Medien daher. Die Inserate haben einen gemeinsamen Hintergrund: Am 1. Januar 1999 wird offiziell der Euro eingeführt, und bis 2002 müssen sich die Deutschen von der liebgewonnenen Deutschen Mark verabschieden. Ab 3. Januar werden die meisten Banken anbieten, Girokonten in Euro zu führen und den privaten Zahlungsverkehr so abzuwickeln. Besonders große Firmen werden ihren Zahlungsverkehr mit dem Ausland wohl bald umstellen.
„Viele Menschen haben Angst“, weiß Verbraucherberater Lischke. Besonders ältere Leute fürchteten sich entgegen der Prognosen von Volkswirtschaftlern vor einer Inflation, die sie schon einmal erlebt haben. Mit eben dieser Angst spielen manche Anlageberater und suggerieren, daß sie Sicherheit bieten könnten.
Die meisten Währungsspezialisten bezweifeln jedoch, daß es im Zuge der Euroumstellung zu einer Abwertung kommt. Und am 1. Januar wird der Euro sowieso nur für bargeldlose Transaktionen eingeführt – die Mark bleibt als Zahlungsmittel im Geschäft und auf dem Wochenmarkt noch drei Jahre gültig. Deshalb sei Panik fehl am Platze, warnen die Verbraucherzentralen der Länder übereinstimmend.
Den Boden für die schlitzohrigen Geschäftspraktiken so manchen Geldhais bereiten aber auch die seriösen Banken. Sie haben nach Ansicht der Verbraucherzentralen ihren Beitrag zur Verängstigung der BürgerInnen geleistet. Die großen und kleinen Geschäftsbanken und Sparkassen würden zwar korrekt, aber doch „zu stark geschäftsbezogen“ über die neue Währung informieren, heißt es in einer Stellungnahme des Berliner Verbraucherschutzes. Soll heißen: Auch renommierte Institute nutzen die Angst vor dem 1. Januar, um ihre Produkte zu verkaufen. „Der Euro dient als Marketinginstrument, obwohl viele Anlagemöglichkeiten damit gar nichts zu tun haben“, sagt Peter Lischke.
„Ihre Antwort auf den Euro: Jetzt investieren!“ heißt es beispielsweise in einem Infoblatt der Commerzbank: „Mit Eurofonds alles klarmachen.“ – „Mit den Gewinnern profitieren.“ Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, daß der von der Commerzbank angepriesene Fonds „EuroExpert“ das ihm zur Verfügung gestellte Geld in Aktien großer Unternehmen investiert, die europaweit tätig sind und denen deshalb besonders gute Profitchancen nach Wegfall der Währungsumrechnungen zugesprochen werden. Ob dem tatsächlich so sein wird, steht natürlich in den Sternen. Niemand kann die Entwicklung der Aktienkurse verläßlich vorhersagen. Euro hin oder her – Investitionen in Aktien sind niemals sicher.
Auch die Berliner Bank bietet mit ihrem Fonds BB-Europa-As- Invest ein ähnliches Strickmuster an. In den Filialen der Bank erfährt man, daß damit besonders die Euroskeptiker angelockt werden sollen. Der Fonds bevorzugt Unternehmen aus dem europäischen Ausland, was als Argument für solche KundInnen gedacht ist, die der Mark und damit auch deutschen Firmen nicht mehr so recht über den Weg trauen.
Natürlich wissen auch die AnlageberaterInnen der Berliner Bank, daß genausogut deutsche Konzerne vom Euro profitieren können – aber egal. Einen Grund, zugunsten irgendwelcher Eurofonds sein bisher woanders angelegtes Geld umzuschichten, kann Verbraucherberater Lischke deshalb nicht erkennen.
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