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Ausländerunfreundliche Justiz / Die Integration steht auf der Tagesordnung / Unrecht gegen Flüchtlinge bleibt verborgen / Was ist mit denen, die angekommen sind?

betr.: „,Mehmet‘ wird abgeschoben“, „,Mehmet‘ scheitert in

Karlsruhe“, taz vom 14./15. 11. 98

[...] Es ist alarmierend zu beobachten, daß nicht nur konservative Parteien, sondern nun auch die oberste Justiz den emotionalen Strömungen in unserer Bevölkerung, die nicht gerade ausländerfreundlich sind, folgen.

Um es gleich von vornherein klarzustellen: Ich bin für eine gerechte Bestrafung von „Mehmet“, und zwar hier in Deutschland! Denn dieser Junge wurde hier geboren und hat keinerlei Bindungen oder Beziehungen zur Türkei. „Mehmet“ ist ein „Produkt“ unserer Gesellschaftsform mit all ihren Vor- und Nachteilen; und deshalb sind wir auch verpflichtet, uns um solche Menschen zu kümmern, die „auf die schiefe Bahn“ gelangt sind, ohne Rücksicht darauf, ob sie nun zufällig den deutschen Paß haben oder nicht. Es ist ein Irrtum zu glauben, daß man sich unliebsamer Menschen so einfach „entledigen“ kann und damit alle Probleme gelöst seien. Und wer garantiert eigentlich, daß diese Abschiebepraxis nicht irgendwann auch auf andere Personenkreise ausgeweitet wird? [...]

Es gilt daher konsequent gegenzusteuern, damit rechtskonservative Kreise in unserer Gesellschaft kein Oberwasser gewinnen können! Die neue rot-grüne Koalition in Bonn hat mit der doppelten Staatsbürgerschaft den Weg in die richtige Richtung bereits vorgegeben, wenn auch leider nur zögerlich und nicht konsequent genug. [...] Thomas Henschke, Berlin

Die Integration steht auf der Tagesordnung

betr.: „Weiter Streit um Einwanderung“, „Poppe widerspricht Schily“, taz vom 18. 11. 98

[...] Ich hatte Rot-Grün gewählt, da ich gehofft hatte, daß die Zahl der Ausländer weniger wird. Das Koalitionsprotokoll war vielversprechend: Durch die Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts wird die Zahl der Ausländer weniger, dachte ich. Aber nein! Offensichtlich denken manche Koalitionspolitiker, daß man durch die Reformen lediglich einen neuen Typus von Bewohnern in Deutschland schafft: Ausländer mit deutschem Paß. Und deren Zahl hat die Grenze der Belastbarkeit erreicht.

Schon Herr Kohl konnte nicht rechnen, als er die Zahl der Türken im Falle einer doppelten Staatsbürgerschaft gleich doppelt zählte. Auch Herr Schily hat in Mathematik nicht aufgepaßt. Er will einbürgern, aber die Eingebürgerten zählt er weiterhin als „Fremde“.

Spaß beiseite! Herr Schily sollte sich aus unserer Sicht mit den ernsthaften Themen der Integration beschäftigen, zum Beispiel mit dem Anti-Diskriminierungsgesetz. Das ist der nächste gesetzliche Schritt, um die Gleichberechtigung der Einwanderer in dieser Gesellschaft zu erreichen. Die Integration steht auf der Tagesordnung. Alper Öktem, Vorstandsmitglied ImmiGrün e.V., Bielefeld

Unrecht gegen Flüchtlinge bleibt verborgen

betr.: „Grenzschutz prüft Übergriff auf Asylbewerber“,

taz vom 18. 11. 98

Endlich wird wieder einmal gegen BGS-Beamte ermittelt, die mit Tränengas Flüchtlinge verletzt haben. Doch die Reaktion der vorgesetzten Dienststelle, von der berichtet wird, kann im Kontext der Gesamtsituation für Flüchtlinge am Frankfurter Flughafen nur als zynische Heuchelei bezeichnet werden.

Wo sind die Verfahren gegen die BGS-Beamten, die Flüchtlinge in deren Heimatländer abschieben, wo diese dann schon am Flughafen festgenommen werden, verschwinden und auch später von UnterstützerInnen beziehungsweise Angehörigen nicht mehr gefunden werden? Wo sind die Anklagen gegen diejenigen, die bei der menschenunwürdigen Unterbringung mitten auf dem lauten Rollfeld des Flughafens Beihilfe leisten? Wo sind die Anklagen gegen die Beamten, die bei vielen Abschiebungen mit Gewalt gegen die abzuschiebenden Flüchtlinge vorgehen? Wo sind die Anklagen gegen die leitenden Beamten im Bundesgrenzschutz, die diese Einsätze befehlen und damit verantworten, ohne sich allerdings selbst die Hände schmutzig zu machen?

Zu diesen Fragen erhoffe ich mir Antworten. Vor allem hätte ich mir diese Fragen in der kurzen taz-Meldung gewünscht, denn eine Meldung wirkt eben auch gerade durch das, was nicht in ihr zu lesen ist. [...] Das dahinterstehende große Unrecht gegen die Flüchtlinge bleibt dem Leser/der Leserin verborgen. [...] Hinrich Olsen, Oldenburg.

Was ist mit denen, die angekommen sind?

betr.: „Die PDS ist eine demokratische Partei“, taz vom 17. 11. 98

Das Interview mit Richard Dewes, dem Innenminister von Thüringen, ist sehr aufschlußreich. Er möchte auf jeden Fall eine Koalition seiner SPD mit der PDS, weil es nur so gelingen könne, „alle Menschen mitzunehmen“ und sie in der Bundesrepublik „ankommen“ zu lassen.

Was ist denn mit den zirka 80 Prozent der Menschen im Osten, die nicht PDS wählen und die offensichtlich schon „angekommen“ sind? Wenn nach 40 Jahren DDR, in denen die meisten gezwungen waren, ja zu sagen und nein zu denken, nur 20 Prozent nicht klar sehen können, was die PDS ist und ihr auf den Leim gehen, dann ist das eine gute Entwicklung.

Richard Dewes ist 53, hat die ganze Zeit im Saarland gelebt und konnte immer sagen, was er denkt. Daß er trotzdem die Kader von gestern (denn die sind in der PDS immer noch an maßgeblicher Stelle) mit in der Regierung haben will, damit er Ministerpräsident wird, läßt mangelnde Geschichtskenntnis vermuten.

Auch Dewes wird irgendwann einsehen, daß es immer Leute gibt, die glauben, daß Hitler vor allem Autobahnen gebaut hat und die FDJ doch eigentlich eine ganz tolle Sache war. Jan Düsterbeck, Emsdetten

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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