: Für die Liebe kaum noch Zeit
■ Hongkong-Action in Tusche: „Mulan“ ist die erste ernsthafte und eigenständige Mädchenfigur aus der Walt-Disney-Animationsfabrik
Für ihren bereits 36. abendfüllenden Animationsfilm haben sich Walt Disney Pictures erstmalig Asien als Schauplatz auserwählt und wenden sich dem fernöstlichen Weltreich China zu. In „Mulan“, der neuen Zeichentrickfilmproduktion aus den Buena Vista Studios, werden Kung-Fu-Elemente des Hongkong-Actionfilm- Genres mit den Mitteln japanischer Mangafilme und klassischer chinesischer Tuschzeichnung collagiert.
Die Geschichte basiert auf einer alten chinesischen Sage, in der Mulan, einzige Tochter des Ehrenmanns Fa Zhou, für ihren kranken Vater in den Krieg gegen die Hunnen zieht. Mit abgeschnittenen Haaren leiht sie sich seinen Ritterpanzer und wird, als Mann verkleidet, Soldat der Kaiserlichen Armee.
Die Message ist einfach: Auch eine Frau ist etwas wert, selbst in der unerschütterlichen Männergesellschaft des kaiserlichen China. Wenn sie es nur ehrlich meint, kann auch sie die Ehre ihrer Familie und ihres Vaterlandes siegreich verteidigen. Wo Hauptmann Shang, mehr Mitstreiter als Held, ein Zeichentrick gewordenes Abziehbild des Hongkong-Kung-Fu- Film-Stars Jet Li darstellt, ist Mulan um so genauer als eigenständige Figur ausgearbeitet. Sie bewegt sich fließend zwischen Chinese Watercolor, japanischer Holzschnitt-Geisha und der im letzten 007-Bond-Film zu bewundernden Michelle Yeung.
Wo bei Pocahontas (Walt Disney Productions, 1995) die Storyline noch um einen männlichen Helden kreist, für den die Indianerin Zuneigung empfindet, hat Mulan für die Liebe kaum noch Zeit. Sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, das Heer um den Metaller-Hunnen Shan-Yu allein zu beseitigen. Zum Glück wird dabei nur ganz wenig gesungen! Mulan ist das erste Disney Animationsfeature, in dem eine Mädchen-Figur als ernsthaft kämpfende, überlegene und starke Heldin eigenständig, mit all ihren Widersprüchen agiert. Bettina Allamoda
„Mulan“. USA 1998. Regie: Barry Cook und Tony Bancrofft. 88 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen