: In Albanien reklamieren beide Seiten den Sieg
■ Laut ersten Ergebnissen stimmt die Mehrheit der Albaner für die neue Verfassung. Referendum verläuft ohne Zwischenfälle. Oppositionsführer Berisha ruft zu Demonstration auf
Tirana (AP/AFP) – Der Kampf zwischen Regierung und Opposition in Albanien geht weiter. Nach der Volksabstimmung über eine neue Verfassung haben gestern sowohl die Regierung als auch die oppositionelle demokratische Partei den Sieg für sich beansprucht.
Ersten Ergebnissen zufolge haben sich mehr als 55 Prozent der Albaner für die erste demokratische Verfassung seit dem Sturz des Kommunismus ausgesprochen. Das teilte Präsidentenberater Prec Zogaj gestern unter Berufung auf nichtoffizielle Teilergebnisse mit.
Albaniens Ex-Präsident und Chef der demokratischen Partei, Sali Berisha, stellte die Zahlen der Wahlkommission in Frage. Er dankte dem albanischen Volk, „den Vorschlag der korruptesten Regierung Europas abgelehnt zu haben“. Der Oppositionsführer hatte zu einem Boykott aufgerufen und erklärte, daß alle, die der Abstimmung ferngeblieben seien, die Vorlage ablehnten. Gestern rief er zu einer Kundgebung am Montag nachmittag in Tirana auf, um gegen angebliche Manipulationen des Ergebnisses durch „die politische Mafia“ zu protestieren. Die tatsächliche Wahlbeteiligung liege bei höchstens 30 Prozent, damit sei das Referendum abgelehnt worden, sagte Berisha.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die das Referendum über die erste postkommunistische Verfassung überwachte, teilte mit, die Beteiligung sei trotz des schlechten Wetters höher als erwartet gewesen. Zwischenfälle habe es nicht gegeben. Ministerpräsident Pandeli Majko gratulierte nach einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur ATA seinem Kabinett zur Annahme der Verfassung.
Albanien hat seit der Abdankung des kommunistischen Regimes vor acht Jahren de facto keine Verfassung mehr. Die alte kommunistische Verfassung von 1976 ist von einer Reihe von Übergangsgesetzen außer Kraft gesetzt worden. Ein früherer Verfassungsentwurf Berishas war im vergangenen Jahr bei einer Volksabstimmung abgelehnt worden. Der neue Entwurf sieht unter anderem das Recht jedes Albaners vor, seine Religion frei zu wählen und sich als Mitglied einer ethnischen Minderheit zu bekennen. Besonders gegen diese Klauseln wendet sich die Opposition des Berisha-Lagers. Die Parteigänger des Ex-Präsidenten bezeichnen diese Passagen als „antialbanisch“ und fürchten, daß sich Muslime einer christlichen Konfession zuwenden könnten, um damit ihre Chancen für die Einbürgerung in westeuropäischen Ländern zu erhöhen. Führende europäische Verfassungsexperten haben dem Entwurf ein gutes Zeugnis ausgestellt. Besonders das Kapitel Menschenrechte trage europäischen und internationalen Normen voll Rechnung, erklärte die Kommission von Venedig.
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